Ein Regionalplan für alle - Erstmals seit 1966 ein Regionalplan für das gesamte Ruhrgebiet

Wolfgang Freye
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Das erste Mal seit 1966 wird das Ruhrgebiet wieder einen eigenen, zusammenhängenden Regionalplan erhalten. Der Entwurf wurde vom Regionalverband Ruhr (RVR) erarbeitet und ist in der Offenlage, d.h. bis zum 1. März 2019 können alle Interessierten Stellungnahmen oder Einsprüche dazu abgeben. Das gilt sowohl für die sogenannten Träger öffentlicher Belange, als auch für die Einwohnerinnen und Einwohner des Verbandsgebietes. Anschließend muss die Verwaltung die Eingaben prüfen und entweder in den Entwurf des Regionalplans einarbeiten oder sie begründet ablehnen. 2020, passend zum 100jährigen Jubiläum der Gründung des RVR, soll der Regionalplan von der Verbandsversammlung des RVR verabschiedet werden.

Der Regionalverband Ruhr ist als Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (SVR) 1920 als erster deutscher Regionalverband vom Land Preußen gebildet worden und hatte vor allem die Aufgabe, durch die Entwicklung eines Siedlungsplans planerische Ordnung in das ziemlich chaotisch entstandene größte deutsche Industriegebiet zu bringen. Die Siedlungen waren in den ersten siebzig Jahren der Industrialisierung oft einfach um die von den Kohlebaronen angelegten Zechen herum entstanden.

Die Notwendigkeit einer Planung für die Region hatte der spätere erste Direktor des SVR, Robert Schmidt, schon 1912 in der Denkschrift „Grundsätze zur Aufstellung eines General-Siedlungsplans für den Regierungsbezirk Düsseldorf“ dargelegt. Es ging Robert Schmidt dabei nicht zuletzt um sozialpolitische Gesichtspunkte, um die planerische Festlegung von Flächen für Arbeiten, Wohnen, Freizeit und die notwendigen Verkehrswege zwischen diesen Flächen. Die Planung von Grün- und Erholungsflächen hatte dabei einen wichtigen Stellenwert. Der General-Siedlungsplan sollte „… der gesamten Menschenmasse eine einwandfreie Ansiedlung in Gegenwart und Zukunft … ermöglichen“.

1966 erstellte der damalige Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR) als Nachfolger des SVR das letzte Mal einen Regionalplan. 1975 übertrug das Land NRW in der zweiten Funktionalreform die Planungshoheit auch für das Gebiet des RVR auf die drei Bezirksregierungen Arnsberg, Düsseldorf und Münster. Seitdem wurde die Regionalplanung fernab vom Ruhrgebiet nach zum Teil unterschiedlichen Maßstäben entwickelt. Das führte dazu, dass es schließlich fünf Gebietsentwicklungs- bzw. Regionalteilpläne für das Ruhrgebiet gab. Weil sich diese Situation in der überwiegend eng verflochtenen Stadtlandschaft immer mehr als Hemmnis erwies, verlagerte das Land NRW im RVR-Gesetz 2009 die Regionalplanungshoheit wieder in die Region.

Regionalplan mit neuen Ansätzen

Der RVR arbeitet nun seit 2011 am Entwurf des neuen Regionalplans. Die lange Zeit kommt zum Teil durch eine zunächst völlig unzureichende Personalausstattung des RVR als Regionalplanungsbehörde zustande. Vor allem aber hat der RVR mit dem grünen Planungsdezernenten Martin Tönnes von Anfang an neue Akzente in der Regionalplanung setzen wollen und den Plan beteiligungsorientiert entwickelt. Im Rahmen eines breit angelegten „Regionalen Diskurses“ gab es etliche Fachforen zu Themen wie Gewerbe- und Wohnflächen, Freiraumentwicklung, Landwirtschaft usw. und mehrere Konferenzen mit bis zum 400 Teilnehmer/innen, die sich mit den planerischen Zielen für die Region auseinandergesetzt haben. Des Weiteren gab es mit allen 53 Kommunen im Ruhrgebiet im Vorfeld Abstimmungen, vor allem zu klären, wie die Flächen aktuell genutzt werden und wie die Kommunen perspektivisch damit umgehen wollen.

Nicht nur diese Beteiligungsorientierung war ein neuer, inzwischen von vielen als beispielhaft angesehener Ansatz in der Regionalplanung, der jetzt auch im Regierungsbezirk Köln angewendet werden soll. Der RVR entwickelte mit dem Flächeninformationssystem (ruhrFIS) auch ein neues Analyse- und Bedarfsermittlungsinstrument für Gewerbe-, Industrie- und Wohnflächen, das die Darstellung objektiviert und vergleichbar macht. Darüber hinaus hat der RVR auf Grund der Flächenknappheit in den großen Städten des Ruhrgebiets die Idee von Kooperationsstandorten für Industrie- und Gewerbeflächenbedarfe über 8 ha entwickelt, die städteübergreifend, eben in Kooperation entwickelt werden sollen. Schließlich hat der RVR zusätzlich zum letztlich rechtsverbindlichen Regionalplan ein Handlungsprogramm vorgelegt, in dem die Entwicklungsziele für die Region weiter und konkreter ausgeführt werden, als dies im Regionalplan möglich ist.

Dabei muss man immer beachten, dass die Aufstellung des Regionalplans in den engen Grenzen des Landesentwicklungsplans (LEP) stattfindet. Der gültige LEP für NRW trat im Februar 2017 in Kraft, beschlossen noch von einer rot-grünen Mehrheit. Schon im Dezember 2017 hat die neue schwarz-gelbe Landesregierung eine Überarbeitung beschlossen und dadurch bestimmte Regelungen des gerade erst neu gefassten LEPs außer Kraft gesetzt.

Schwarz-Gelb will z.B. die Klimaschutz- und Flächenverbrauchsziele zurückschrauben, die Abbaurechte der Kiesindustrie im Kreis Wesel erweitern und die Ansiedlung von Logistikzentren auch außerhalb von Siedlungsgebieten erleichtern. Gerade das Ruhrgebiet hat sich in den letzten Jahren zu einem der größten Logistikzentren Europas entwickelt. Auch die Änderungsabsichten von Schwarz-Gelb haben zu erheblichen Verzögerungen der Vorlage des Entwurfs des Regionalplans geführt, da der Rahmen neu abgeklärt werden musste und die CDU als Teil der ganz großen XXL-Koalition von CDU, SPD und Grünen im RVR seit dem Regierungswechsel auf die „Bremse“ trat.

Flächenausweisung teilweise umstritten

Der Streit um den vorliegenden Regionalplanentwurf hält sich in überschaubarem Rahmen – das ist sicherlich auch ein Ergebnis der Beteiligung im Vorfeld. Aber natürlich gibt es Diskussionen, vor allem um die Ausweisung der Flächen für Gewerbeansiedlung, mit denen einige Kommunen nicht einverstanden sind. Auch die IHK betätigt sich eifrig als Lobby und will mehr Gewerbe- und Industrieflächen ausgewiesen haben CDU-, FDP- und Teile der SPD-Fraktion im RVR teilen diesen Standpunkt. Dabei weist der Regionalplanentwurf bei den Gewerbeflächen eine Reserve von 5.382,3 ha aus, rund 265 ha mehr als bisher. Allerdings ist auch der Flächenverbrauch gestiegen, insbesondere durch große Ansiedlungen im Logistikbereich. Immerhin reichen die ausgewiesenen Flächen rechnerisch für rund 195.000 neue Arbeitsplätze.

Einige wenige Gemeinden eher am Rande des Ruhrgebiets sind auch gegen planerische Kürzungen bei den ausgewiesenen Wohnflächen. Insgesamt weist der Regionalplanentwurf 3.500 ha für neue Wohnflächen aus, rund 12% weniger als der alte, weil die Bevölkerungsentwicklungsprognosen nach unten korrigiert wurden. Immerhin reichen diese Flächen für 115.000 neue Wohnungen.

Absehbar ist, dass die Ausweisung von Kiesabbauflächen im niederrheinischen Kreis Wesel ein schwer zu lösender Konflikt wird. Der RVR muss eine Rohstoffsicherheit für die nächsten 25 Jahre nachweisen, hierzu sind zusätzliche Flächen notwendig, die die Kommunen nicht immer freigeben wollen oder gegen deren Ausweisung es seit Jahren Proteste gibt. Gleichzeitig will die Kiesindustrie statt der vorgesehenen zum Teil Flächen in Landschafts- oder Wasserschutzgebieten, weil sie profitabler auszubauen sind, als die vorgesehenen.

Linke Perspektiven zum Regionalplan

Die Fraktion DIE LINKE im RVR hat die von der Verwaltung vorgesehene Beteiligungsorientierung bei der Erarbeitung des Regionalplans immer begrüßt und unterstützt, ebenso die oben dargestellten Neuerungen wie das ruhrFIS-System. Die Fraktion DIE LINKE hat sich im Vorfeld der Erarbeitung des Regionalplans mehrfach mit den beratenden Mitgliedern der Verbandsversammlung ausgetauscht, insbesondere dem DGB, dem Vertreter der Umweltverbände und der Landwirtschaftskammer. Inhaltliche Kritikpunkte, die die Fraktion in die Diskussion eingebracht hat, sind in Kurzform die folgenden:

  • Die Regionalplanung für einen dichtbesiedelten Ballungsraum Ruhrgebiet muss vor allem in den Siedlungskernen stärker vom Ziel der Freiflächensicherung ausgehen, um die Hürden für die Bebauung und Versiegelung von Freiflächen zu erhöhen. Dazu hätten auch landwirtschaftliche Flächen als solche mit einem eigenen Planzeichen ausgewiesen werden müssen, was sie nicht sind. Diese Kritik führt auch die Landwirtschaftskammer.
  • Der Vorrang des Verbrauchs alter, versiegelter Flächen für Gewerbe und Wohnen muss stärker im Vordergrund stehen, z.B. indem der in der Planung enthaltene Grundsatz zur Vermeidung von Bodenversiegelung in ein Ziel umgewandelt, das in der nachfolgenden Flächennutzungs- und Bauleitplanung stärker beachtet werden muss. Bei der Aufbereitung von ehemaligen, jetzt brachliegenden Industrieflächen ist das Hauptproblem das zu geringe finanzielle Engagement des Landes.
  • Wenn im Landesentwicklungsplan schon das Ziel von einem Flächenverbrauch von nicht mehr als 5 ha täglich gestrichen wird, sollten zumindest die Ausgleichsmaßnahmen konkretisiert werden, indem im Regionalplan ein Grundsatz formuliert wird, nach dem jede neue versiegelte Fläche durch Entsiegelung und/oder Begrünung an anderer Stelle raumnah ausgeglichen wird.
  • Es müssen klarere Kriterien zur Nachverdichtung in bestehenden und neuen Bebauungsplänen formuliert werden, um trotz notwendiger Nachverdichtung die Lebensqualität in Stadtquartieren zu erhalten.
  • Die Grundzentren müssen auch beim ÖPNV erwähnt werden

Für das Handlungsprogramm hatte die Fraktion DIE LINKE schon in der Verbandsversammlung zur Einbringung des Regionalplans die ausdrückliche Formulierung eines Ziels der Schaffung von preiswertem Wohnraum und gefördertem, sozialen Wohnungsbau beantragt. Der Antrag geht in die Abwägung ein. Immerhin sind derzeit rund die Hälfte der Einwohner/innen des Ruhrgebiets berechtigt, eine Sozialwohnung in Anspruch zu nehmen. Der Bestand liegt jedoch gerade bei 7,8 % aller Wohnungen. Da ist also dringender Handlungsbedarf!