V.4. Natur und Umwelt gehen vor Profiten

Die Bewahrung unserer natürlichen Umwelt ist eine Hauptaufgabe dieses Jahrhunderts. Dabei erweist sich immer mehr, dass der Kapitalismus selbst, mit seinem Zwang zu ungebremstem, zerstörerischem Wachstum und seiner Gier nach Profit ein Hindernis für effektiven Umweltschutz darstellt. Es gibt kei-nen grünen Kapitalismus. Der sorgsame Umgang mit natürlichen Ressourcen widerspricht seinen fun-damentalen Mechanismen. Wir sind deshalb überzeugt, dass sich die Natur auf Dauer nur durch einen grundsätzlichen Umbau unserer kapitalistischen Produktionsweise schützen lässt.

Umweltschutz ist kein Luxus. Ökologische Nachhaltigkeit ist für uns nicht nur eine Frage des Lebensstils für Leute, die sich etwas teurere Bioprodukte leisten können. Es geht hier beispielsweise auch um Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft, bei denen Menschen sich nicht ihre Gesundheit ruinieren. Es geht um gute Lebensbedingungen für alle Menschen, unabhängig von ihrem sozialen Status – in der Stadt wie auf dem Land. Dazu gehört für uns auch, dass Menschen – unabhängig von ihrem Geldbeutel – Natur erleben und erfahren können. Naturlehrpfade wollen wir ausbauen. Naherholung, Urlaubs- und Erholungsgebiete wollen wir durch den öffentlichen Nah- und Fernverkehr erreichbar machen. Dabei setzen wir auf sanften Tourismus.

DIE LINKE steht an der Seite von Verbänden, Vereinen und Initiativen, die sich für den Schutz unserer Umwelt einsetzen. Projekte der ökologischen Selbstorganisation wie Urban Gardening wollen wir fördern. Wir wollen Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik an strengen Umweltzielen ausrichten.

Wir wollen den anhaltenden Flächenverbrauch stoppen. In unserem Bundesland gehen im langjährigen Mittel täglich etwa zehn Hektar wertvoller Naturraum für Siedlungs- und Verkehrszwecke verloren. Mittelfristig müssen wir diesen Trend stoppen und umkehren. In den kommenden fünf Jahren wollen wir den Flächenverbrauch in NRW halbieren.

Wir wollen eine Stärkung ökologischer Aspekte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, unter anderem durch strenge ökologische Vorgaben und die Wiedereinführung von strategischen Zielen zum Schutz der Umwelt in das Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen.

Umweltkriminalität wollen wir konsequent verfolgen und bekämpfen. Dafür wollen wir die von der Landesregierung abgeschaffte Stabsstelle Umweltkriminalität wieder einrichten, eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft Umweltkriminalität schaffen und das entsprechende Personal z. B. beim Zoll aufstocken. Wir setzen uns für die gesetzliche Verankerung und vollumfängliche Ausweitung des Verbandsklagerechts für Umwelt-, Natur- und Tierschutzvereinigungen und Einzelne im Sinne der Aarhus-Konvention ein.

Klimawandel und Artensterben sind die bedrohlichsten Krisen der Gegenwart – auch in NRW. Der natürliche Artenreichtum Nordrhein-Westfalens ist akut gefährdet. Aktuell stehen rund 45 Prozent der Arten auf der Roten Liste. Viele heimische Arten sind gefährdet. Zur Messung der biologischen Vielfalt findet in NRW regelmäßig ein Monitoring statt, bei dem nicht nur Bestandszahlen der einzelnen Arten erhoben werden. Es werden auch die unterschiedlichen Lebensräume untersucht: Quellen, Fließ- und Stillgewässer, Moore, Magerrasen, Wälder etc. Zu verzeichnen ist, dass die Qualität der Lebensräume gleichbleibend schlecht ist. 2 Prozent der heimischen Arten sind in NRW schon ausgestorben. Ein Viertel der Arten sind akut gefährdet, darunter über 50 Prozent der Moose. Hinzu kommen z. B. Wildbienen, Schmetterlinge, Libellen, Insekten allgemein, Flusskrebse, Amphibien und Vögel. Unter den bedrohten Arten sind viele, die früher sehr weit verbreitet waren, z. B. die Wiesenglockenblume, der Schachbrettfalter oder die Feldlerche. Bei Vögeln ist ein Rückgang der Bestände von ca. 50 Prozent zu beobachten. U. a. sind die Bestandszahlen beim Kiebitz um 75 Prozent und beim Rebhuhn um 94 Prozent eingebrochen.

Gut dokumentiert durch die Krefelder Langzeitstudie (1985 bis 2017) ist der Rückgang der Biomasse der Insekten. Innerhalb von etwas mehr als dreißig Jahren ist selbst in Naturschutzgebieten die Biomasse der Insekten um 75 Prozent zurückgegangen. In unserem Bundesland sind 55 Prozent der Schmetterlinge, 52 Prozent der Wildbienen und Wespen, 48 Prozent der Heuschrecken und 45 Prozent der Libellen betroffen. Ursachen für das Insektensterben sind vor allem: Zerstörung und Fragmentierung von Lebensräumen, Lichtverschmutzung, die Eutrophierung der Landschaft durch Stickstoffeinträge sowie Änderungen der landwirtschaftlichen Nutzung. In diesem Zusammenhang spielen Monokulturen sowie der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln eine wichtige Rolle. Das Insektensterben zieht den Verlust weiterer Arten, von Tieren wie Pflanzen, nach sich.

Ein großer Teil der Tiere und Pflanzen in Nordrhein-Westfalen leidet zusätzlich unter den Folgen des Klimawandels. Eine Studie des NRW-Umweltministeriums zeigt: Mehr als ein Viertel der untersuchten rund 1.200 Tierarten, jede achte der rund 1.900 betrachteten Pflanzenarten und 18 der 48 untersuchten Lebensräume (38 Prozent) haben bereits negativ auf die Klima-Erwärmung reagiert – oder werden voraussichtlich in Zukunft darunter leiden. Vor allem Arten des höheren Berglandes, die bei uns nicht auf kühlere Regionen ausweichen können, werden durch den Klimawandel beeinträchtigt. Auch Arten der Feuchtlebensräume, zum Beispiel Amphibien oder Fische, geraten durch Erwärmung der Gewässer, Abnahme des Sauerstoffs im Wasser sowie Austrocknung der Lebensräume unter Druck.

Die Ursachen für das massive Artensterben und den Rückgang der Bestandszahlen fast aller Arten sind in dem hohen Flächenverbrauch, der Versiegelung vieler Flächen und der Intensivierung der Landwirtschaft zu suchen. Ökosysteme werden zerstört, die Zahl der Arten nimmt ab und innerhalb der verbliebenen Arten nimmt die genetische Vielfalt ab. Oft liegen kleine Schutzgebiete inmitten großer Flächen auf denen z. B. Pestizide und Gülle ausgebracht werden. Gewässer verändern durch landwirtschaftliche Nutzung in der Umgebung ihren Charakter als Lebensräume oder trocknen im Zuge des Klimawandels aus.

Was tun?

  • Artenschutz muss Querschnittaufgabe der Politik werden.
  • Die Biodiversitätsstrategie der EU von 2015 muss in NRW umgesetzt werden.
  • Die Verbindung verinselter Schutzgebiete und das Verbot von Pestiziden und Herbiziden in einem großen Radius um Schutzgebiete
  • Ein Konzept zur Reduzierung der Lichtverschmutzung muss entwickelt und umgesetzt werden.
  • Artenschutzprojekte für Leittierarten sollen gefördert werden, der Biotopschutz ist auszuweiten – zum Beispiel Laubfroschprojekt im Münsterland, Gelbbauchunken-Projekte im Rheinland oder Kreuzkrötenprojekte im Ruhrgebiet
  • Innerhalb der kommenden Legislaturperiode soll im Bereich Senne/Eggegebirge/Teutoburger Wald der zweite Nationalpark Nordrhein-Westfalens ausgewiesen werden; die militärische Nutzung ist einzustellen; die Nationalparkverwaltung des neuen NP sowie jene des Nationalparks Eifel werden als Sonderbehörde in das Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Verbraucherschutz integriert.
  • Naturlehrpfade sind auszubauen und wiederherzustellen, um die Bedeutung von Naturschutz zu verdeutlichen.
  • Mit einem Landesprogramm wollen wir die Schaffung von insektenfreundlichen Blühstreifen und Blühwiesen fördern. Diese sollen standortheimisch und mehrjährig sein, zudem sollen bei der Mahd Teilbereiche stehengelassen werden (Staffelmahd).
  • Für die Erhaltung der Kulturlandschaft, der biologischen Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten und deren Lebensräumen befürworten wir ein flächendeckendes System von Landschaftserhaltungsverbänden.
  • Wir wollen die Vorgaben der FFH-Richtlinie auch in Deutschland endlich umsetzen. Infrage kommende Gebiete müssen als Schutzgebiete ausgewiesen und qualifizierte Erhaltungsziele und Erhaltungsmaßnahmen definiert werden.
  • Naturschutzflächen gehören in öffentliche Hand und sollen an Naturschutz- und Umweltverbände in Erbpacht vergeben werden.
  • Wir wollen das 2020-Ziel von 2 Prozent Wildnis endlich erreichen. Dafür müssen mehr Flächen zur Wildnisentwicklung ausgewiesen werden. Wir wollen mehr Biotopverbünde herstellen.
  • DIE LINKE unterstützt die Volksinitiative Artenvielfalt.
  • Für die Bewertung von Biotopen in der Eingriffs-Ausgleichs-Bilanzierung soll verpflichtend ein landesweit einheitlicher Standard verwendet werden, der möglichst vorteilhaft für die Umwelt gestaltet sein soll. Die bisher zur Aufstellung und Aktualisierung verschiedener Bewertungsverfahren verwendeten Ressourcen sollen künftig für die Entwicklung und Optimierung dieses gemeinsamen Bewertungsverfahrens genutzt werden.
  • Biologische Stationen sollen stärker finanziell vom Land unterstützt werden.