Corona-Epidemiegesetz: LINKE NRW fordert Solidarität statt Zwang
Die NRW-Landesregierung hat am gestrigen Montag (30. März 2020) den Entwurf eines „Gesetzes zur konsequenten und solidarischen Bewältigung der Covid-19-Pandemie“ in den Landtag eingebracht. Hierzu nimmt der stellvertretende Landessprecher von DIE LINKE in NRW Hans Decruppe kritisch Stellung: „Die schwarz-gelbe Landesregierung beweist gesetzgeberische Unfähigkeit, angemessene und taugliche gesetzliche Regelungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Interesse der Bürger*innen auf den Weg zu bringen. In der Überschrift des Gesetzentwurfs heißt es zwar, es ginge um eine ‚solidarische Bewältigung der COVID-19-Pandemie‘. Von einem solidarischen Denkansatz sind die Regelungen jedoch weit entfernt.“
„Im Gegenteil: Der Gesetzentwurf sieht in verfassungswidriger Weise die Möglichkeit der Dienstverpflichtung von Männern und Frauen mit Ausbildung in Pflege- und Gesundheitsberufen zur medizinischen und pflegerischen Versorgung vor. Derartige Zwangsdienste sind jedoch durch Artikel 12 Absatz 2 Grundgesetz verboten. Die Ausnahmen nach Artikel 12 a Grundgesetz betreffen nur den Verteidigungsfall, die derzeit ausgesetzte Wehrpflicht und Pflicht zum Zivildienst sowie eine praktisch nicht relevante Dienstpflicht für Männer im Bundesgrenzschutz. Für Frauen kennt das Grundgesetz keine Dienstpflicht, außer im Verteidigungsfall für zivile Dienstleistungen im Sanitäts- und Heilwesen gemäß Artikel 12a Absatz 4“, erläutert Decruppe und fragt: „Ist der Landesregierung die Rechtslage nach der Verfassung unbekannt?“
„Dann wüsste sie doch auch, dass derartige Dienstverpflichtungen nur durch Bundesgesetz eingeführt werden könnten, nicht jedoch vom Landes-Gesetzgeber. Zudem sind Zwangsdienste im Katastrophen- und Pandemie-Fall völlig ungeeignet. Eine solche Situation erfordert freiwillige und solidarische Handlungsweisen der Bürger*innen im gemeinsamen Interesse. Konkrete Maßnahmen zur Förderung solidarischen Handelns finden sich jedoch an keiner Stelle des Gesetzentwurfs. Eine wertschätzende Vergütung der Beschäftigten in Pflege- und Heilberufen wäre sicherlich ebenfalls hilfreicher als Zwang.“
„Während der Gesetzentwurf in Hinsicht auf die Dienstpflicht ein Fehlgriff ist, greift sie in einem anderen Punkt entschieden zu kurz“, stellt Decruppe fest. „Zwar wird der Fall der behördlichen Sicherstellung, sprich: Beschlagnahme für erforderliches medizinisches, pflegerisches oder sanitäres Material sowie von Geräten für die medizinische und pflegerische Versorgung, geregelt. Von der Landesregierung nicht bedacht wird jedoch der wesentlich bedeutsamere Fall, dass derartiges Material – wie z.B. Medikamente oder Schutzkleidung – zur Neige geht oder Technik – wie aktuell Beatmungsgeräte – nicht ausreichend zur Verfügung steht. Hier müsste die Landesregierung gesetzlich regeln, dass Betriebe zur Produktion von Medikamenten, Schutzkleidung oder Medizintechnik verpflichtet werden können einschließlich der Zurverfügungstellung produktionserforderlicher Rohstoffe, Patente, Rechte und so weiter.“
Als ebenfalls nicht durchdacht wertet der Kommunalpolitiker und Jurist Decruppe die Änderungen im Kommunalrecht. So sollen in extrem eilbedürftigen Angelegenheiten „Beschlüsse im vereinfachten Verfahren“ ohne jede Beratung im Rat im Umlaufverfahren mit Vier-Fünftel-Mehrheit gefasst werden können. „Viel wichtiger wäre es, wenn die Landesregierung die gesetzliche Möglichkeit der Beratung in Kommunalgremien mittels öffentlicher und datenschutzkonformer Videokonferenzen eröffnen würde. Denn auch in Zeiten einer Pandemie müssen Ratsmitglieder Beschlüsse beraten und ihre Frage- und Kontrollrechte gegenüber der Verwaltung wirksam ausüben können“, betont Decruppe die Bedeutung der kommunalen Demokratie.
„So kann und darf der Entwurf keinesfalls Gesetz werden“, fasst Decruppe sein politisches und juristisches Fazit zusammen.