Vor 70 Jahren: NRW-Landtag beschloss Vergesellschaftung von Industrien - LINKE fordert heute Industriestiftung für ThyssenKrupp

DIE LINKE. NRW

Vor genau 70 Jahren, am 06.08.1948, beschloss der Landtag von Nordrhein-Westfalen die Vergesellschaftung der Kohleindustrie, ebenfalls in der Diskussion war die Vergesellschaftung der Stahl- und Chemieindustrie. Die Bereitschaft zur Demokratisierung und Vergesellschaftung von Industrien war damals in Nordrhein-Westfalen breiter politischer Konsens: Unter dem Eindruck von Faschismus und Krieg traten CDU und Zentrumspartei gemeinsam mit SPD und KPD für eine Demokratisierung der Industrie ein.

„Das kapitalistische Wirtschaftssystem hat sich an seinen eigenen Gesetzen totgelaufen. Der natürliche Zweck der Wirtschaft, nämlich die Bedarfsdeckung des Volkes, wurde in sein Gegenteil verkehrt“ so Karl Arnold, CDU- Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Mitbegründer der Rheinischen-Post in einer Regierungserklärung vom 17.06.1947

Dazu erklärt Christian Leye, Landessprecher der Linken NRW:

„Dass ich einmal einem CDU-Ministerpräsidenten aus vollem Herzen zustimmen würde, hätte ich auch nicht gedacht. Vor 70 Jahren war in NRW über alle Parteiengrenzen klar, dass die Eigentumsfrage auf die politische Tagesordnung gehört als Schutz vor rechtsradikaler Politik. Angesichts der Rechtsentwicklung in Europa sollten wir die Lehren aus der Geschichte ernst nehmen und anfangen, in Richtung von deutlich mehr Wirtschaftsdemokratie zu denken.

Dabei ist das Thema auch 70 Jahre nach dem Landtagsbeschluss hochaktuell. Die drohende Zerschlagung von thyssenkrupp wäre für Nordrhein-Westfalen eine Katastrophe, zehntausende Arbeitsplätze sind gefährdet. Eine Industriestiftung in öffentlichem Eigentum kann sich dagegen stellen, indem sie bei thyssenkrupp einsteigt. Die Idee ist, die Interessen des Ruhrgebiets gegen die Interessen der Finanzinvestoren zu verteidigen. 40 000 Arbeitsplätze im Ruhrgebiet plus tausende in den Zulieferbetrieben hängen an dem Konzern. Hinzu kommen weitere Arbeitsplätzen im Friseurladen vor Ort, beim Bäcker oder in der Gastronomie – die Beschäftigten geben ihr Geld schließlich auch lokal aus. Warum zum Teufel dürfen aggressive Kapitalfonds zehntausende soziale Existenzen gefährden, nur damit sie ihren Reibach machen? Um solchen Geschäften einen Riegel vorzuschieben, muss die Eigentumsfrage wieder auf die politische Tagesordnung. Die Industriestiftung sollte mit Bundes- und Landesmitteln bei thyssenkrupp einsteigen und damit den Beschäftigten und der Gewerkschaft, der Landes- und Kommunalpolitik die Möglichkeit geben, auf lebenswichtige Entscheidungen für Nordrhein-Westfalen Einfluss zu nehmen – so geht Demokratie.“

Amid Rabieh, Mitglied im Landesvorstand der Linken NRW und Kreissprecher aus Bochum ergänzt:

„Wir haben in Bochum erlebt, wie erst Nokia und dann das Opelwerk dicht gemacht wurden. Immer war die Landespolitik bemüht, die Arbeitsplätze zu retten, aber geändert hat sie am Ende nichts. Im Saarland wurde mit einem Stiftungsmodell einst die Stahlindustrie gerettet hat – wir wollen ein vergleichbares Erfolgsmodell auch für Nordrhein-Westfalen etablieren. Wenn wir dem Verlust von Arbeitsplätzen und der Deindustrialisierung des Ruhrgebiets nicht tatenlos zusehen wollen, müssen wir dicke Bretter bohren. Wenn wir nicht bereit sind, die Eigentumsfrage zu stellen, werden demokratisch gewählte Politiker immer Bittsteller gegenüber dem Kapital bleiben. Im Ruhrgebiet ist bereits heute jeder Fünfte von Armut betroffen, in Bochum wächst jedes vierte Kind arm auf. Wir wollen diese Spirale nach Unten aufhalten, ein Schritt dafür ist eine demokratisch kontrollierte Indusrtieproduktion, die soziale und ökologische Interessen in den Mittelpunkt rückt statt Profit und Rendite für einige wenige. Dafür kann jetzt die Situation bei ThyssenKrupp ein Anfang sein.“