Eröffnungsrede von Inge Höger

Care-Konferenz am 22.9.2018 in Bochum

(Es gilt das gesprochene Wort)

Begrüßung – Care-Konferenz

Liebe Freundinnen und Freunde,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

liebe Genossinnen und Genossen!

Mit der großen Demonstration am 20. Juni in Düsseldorf wurden die Forderungen nach mehr Personal in der Pflege den Gesundheitsministern und -ministerinnen des Bundes der Länder unmissverständlich klar gemacht. Und in den Streiks an den Uniklinken in Essen und Düsseldorf haben sich die Beschäftigten eine tariflich vereinbarte Personalentlastung in den beiden Häusern erkämpft. Heute wollen wir auf unserer Care-Konferenz diskutieren, wie der Stand der Auseinandersetzung ist und wie DIE LINKE die Kämpfe gegen den Pflegenotstand weiter unterstützen kann. Ich freue mich über Euer Kommen und auf viele interessante Informationen und Diskussionen.

Ich begrüße insbesondere die Referent*innen, die uns hier und heute mit Informationen zum Thema Pflegenotstand und was wir dagegen tun können, auf den aktuellen Stand bringen.

Wir freuen uns auf:

  • Wolfgang Cremer, ver.di Fachbereichsleiter
  • Sylvia Brennemann, Petershof Duisburg
  • Hannelore Buls, SOVD
  • Christian Pälmke, Wir pflegen e.V.
  • Nadja Rakowitz, Bündnis Krankenhaus statt Fabrik
  • Silke Schmidt, Altenpflegerin
  • Melanie Stietz, Care-Revolution
  • Thomas Zmrzly – Streikkomitee Uniklinik Düsseldorf

Unsere Themen heute sind die schlecht bezahlte Sorgearbeit und der Pflegenotstand in Deutschland.

Wir stellen fest: Das Gesundheitswesen in Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten nach kommerziellen Gesichtspunkten umorganisiert worden. Markt und Wettbewerb bestimmen zunehmend das Geschehen.

Krankenhäuser wurden von zwei Seiten in die Zange genommen. Die Bundesländer kommen schon lange ihren gesetzlichen Verpflichtungen zur Finanzierung der Investitionskosten nicht nach. Genau genommen kann man feststellen, dass seit der Aussetzung der Erhebung der Vermögenssteuer die Länder aufgrund der Einnahmelücke einfach ihre Zuschüsse an die Krankenhäuser zurück gefahren haben. Und NRW ist hierbei das absolute Schlusslicht. Es besteht ein riesiger Investitionsstau.

Dazu kam dann das neue Abrechnungssystem in Form von DRG‘s oder Fallpauschalen für die Behandlungen in Krankenhäusern. Die Fallpauschalen führen dazu, immer mehr Patientinnen und Patienten in immer kürzerer Zeit mit immer weniger Personal durch die Krankenhäuser zu schleusen. Über Behandlungen wird nicht mehr danach entschieden, was medizinisch notwendig ist, sondern was Profit bringt. Und aus den Fallpauschalen werden auch noch dringend notwendige Investitionen finanziert, für die eigentlich die Länder zuständig sind. Gespart wird vor allem am Pflege- und technischen Personal. In Deutschlands Krankenhäusern betreuen immer weniger Pflegende immer mehr Patient*innen. Die Folgen sind Stress, der krank macht, und Burnout für die Beschäftigten, Lücken bei der Versorgung und Hygiene, Tausende von vermeidbaren Todesfällen bei den Patientinnen und Patienten.

Auch die Pflege ist ein Pflegefall! Die Anfang der 90er Jahre eingeführte Pflegeversicherung hat daran nicht viel geändert, sondern von Anfang an auf häusliche Pflege durch pflegende Angehörige und private Anbieter gesetzt. Die Pflegeversicherung ist eine Teilkaskoversicherung, die das Risiko, ein Pflegefall zu werden, in keiner Weise abdeckt. Auch hier haben wir es mit Unter-, Über- und Fehlversorgung zu tun. Die Abrechnung im Minutentakt und marktwirtschaftliche Steuerung sind nicht im Sinne der hilfebedürftigen Menschen.

Wir stellen fest: Ob Krankenpflege, Altenpflege, ambulante oder häusliche Pflege – überall herrscht Pflegenotstand. Die Pflegekräfte sind überlastet, weil überall Kostendruck, Markt- und Profitorientierung vorherrschen. Egal ob im Krankenhaus, ob bei der ambulanten oder stationären Pflege: Es fehlt an Zeit für eine gute Pflege, die Beschäftigen sind im Dauerstress und Patientinnen und Patienten leider unter schlechter Pflege.

Gleichzeitig machen die Gesundheits- und Pharmaindustrie sowie Krankenhauskonzerne Milliardenprofite mit Versichertengeldern auf Kosten der Beschäftigten und der Patientinnen und Patienten. Seit Jahren werden dringend notwendige Investitionen in den Krankenhäusern zurückgehalten und am Personal gespart. Schon lange fordern die Beschäftigten Personalstellen statt Baustellen.

Die Missstände in Krankenhäusern und in Pflegeheimen sind bekannt. An vielen Orten regt sich Widerstand. Die Beschäftigten in vielen Krankenhäusern fordern Tarifverträge für Entlastung und streiken für mehr Personal.  Und Patientinnen und Patienten gründen Bündnisse für mehr Personal in Krankenhäusern und eine bessere Gesundheitsversorgung. Erste Tarifverträge für Entlastung durch geregelte Personalbemessung in Krankenhäusern wurden inzwischen abgeschlossen. Wir danken den Vorkämpfer*innen an der Charité in Berlin, den Krankenhäusern im Saarland und an den Unikliniken in Essen und Düsseldorf. Euer Kampf war großartig und ihr habt viel erreicht. Da müssen wir weiter kämpfen: Für eine einheitliche gesetzliche Personalbemessung in allen Krankenhäusern und mehr Personal in der Pflege sowie eine bessere Bezahlung.

DIE LINKE fordert ein solidarisches, gerechtes und barrierefreies Gesundheitssystem, in dem die Versorgung der Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt steht. Gesundheit darf nicht weiter zur Ware verkommen, bei der die Profite mehr zählen als die Menschen. Die Ökonomisierung des Gesundheitswesens steht nicht nur einer guten Versorgung, sondern auch guten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten entgegen. Krankenhäuser sind keine Fabriken und in der Pflege reicht nicht bloß „satt und sauber“.

Über die verschiedenen Aspekte in der Care-Arbeit wollen wir heute diskutieren und Utopien für die Zukunft entwickeln. Wir freuen uns auf interessante Inputs in den Workshops und spannende Diskussionen mit Euch allen.

Zu Beginn gebe ich Wolfgang Cremer das Wort. Wolfgang Cremer ist Landesfachbereichsleiter bei ver.di für den Fachbereich „Gesundheit, soziale Dienste und Kirchen“ und wird uns über die Situation in den Krankenhäusern in NRW berichten.

Danach ist Zeit für eine erste Diskussionsrunde, bevor wir in die Mittagspause und danach in die Workshops gehen.

Wolfgang Cremer, du hast das Wort.