Tornado-Debatte: Einfach ganz entrüsten!

MdEP, Özlem Alev Demirel

Zum Streit innerhalb der bundesdeutschen Regierungskoalition über die Anschaffung eines Nachfolgemodells für die Tornado-Kampfflugzeuge erklärt Özlem Alev Demirel, stellvertretende Vorsitzende im Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung des Europäischen Parlaments (SEDE):

„Während die Corona-Krise zeigt, dass europaweit medizinische Geräte fehlen, streiten sich CDU/CSU und SPD über die Frage, welche Kampfflugzeuge demnächst angeschafft werden sollen. Die Einsicht, dass Sicherheit nicht durch Nach- und Aufrüstung, sondern durch ein gutes Sozial- und Gesundheitssystem erzielt wird, ist nach wie vor nicht zu erwarten. Milliardenbeträge würde das geplante Rüstungsprojekt verschlingen. Hintergrund der Auseinandersetzung sind die Pläne zur Entwicklung eines deutsch-französischen Kampfflugzeuges (‚Future Combat Air System‘, FCAS).“

„Das FCAS-Projekt soll das wichtigste Rüstungsprojekt im Zuge der Anstrengungen zu einer verstärkten EU-Rüstungskooperation darstellen und wird womöglich im PESCO-Rahmen entwickelt und über den geplanten Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) finanziert werden. Um dieses FCAS-Projekt zu ermöglichen, hatte die damalige Bundesverteidigungsministerin und heutigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Ankauf von F-35-Kampfflugzeugen von Lockheed Martin ausgeschlossen. Die SPD befürwortet aus diesem Grund und generell aus industriepolitischen Erwägungen die Anschaffung von Eurofightern, weil es sich hier um die ‚beste‘ Brückenlösung auf dem Weg zum FCAS handeln würde.“

„Allerdings verweigern die USA dem Eurofighter mehr oder minder offen eine zeitnahe Zertifizierung als Trägersystem für US-Atomwaffen im Rahmen der ‚Nuklearen Teilhabe‘. Damit kommt der Eurofighter für diejenigen, die krampfhaft an der Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland festhalten wollen, als alleinige Option nicht in Frage. Dies führte dazu, dass im bundesrepublikanischen Verteidigungsministerium Berichten zufolge eine Vorentscheidung für eine Mischlösung gefallen sein soll, indem bis zu 90 Eurofighter und 45 F-18-Kampfflieger von Boeing angeschafft werden sollen.“

„Die F-18 von Boeing soll die Rolle als Trägersystem der ‚Nuklearen Teilhabe‘ übernehmen. Sie ist aber auch ‚alt‘ genug, um den ‚Wert‘ eines künftigen deutsch-französischen FCAS-Kampfflugzeuges nicht in Frage zu stellen. Der Ankauf aufgebohrter Eurofighter, in denen bereits erste FCAS-Technologie zum Einsatz kommen soll, dient gleichzeitig dazu, dem FCAS-Kampfflugzeug zusätzlichen Rückenwind zu verschaffen. Um beide Interessen, also ‚Nukleare Teilhabe‘ und FCAS-Entwicklung unter einen Hut zu bekommen, werden nun also offenbar viele Milliarden weiterer Kosten in Kauf genommen.“