Rede von Sylvia Gabelmann (MdB/DIELINKE) zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Betroffenen bei Fixierungen im Rahmen von Freiheitsentziehungen (19/8939)

MdB, Sylvia Gabelmann

"Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Besucherinnen und Besucher, immer wieder muss der Gesetzgeber erst durch Gerichtsurteile dazu gezwungen werden, bei Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie eine Rechtssituation herzustellen, die mit den Grundrechten der Betroffenen vereinbar ist. Das sollte Jeder und Jedem in diesem Haus sehr zu denken zu geben.

Heute legen Sie - wie schon 2013 und 2017 - einen Gesetzentwurf vor, der die gerichtlichen Mindestanforderungen erfüllt, aber an der Behandlungssituation der Betroffenen kaum etwas ändern wird. Ich denke aber: Ein Weiter so darf es beim Thema Zwang in der Psychiatrie nicht geben! Schauen Sie sich die erschütternden Zustände an, die unter anderem in der jüngsten Reportage des Team Wallraff dokumentiert wurden.
Schauen Sie sich die riesigen Unterschiede an, wie häufig Zwangsmaßnahmen in den unterschiedlichen Regionen und Einrichtungen stattfinden. Es gibt Kliniken, die die Rate der Gewaltanwendung auf unter 1 Prozent gesenkt haben, während er in anderen an die 20 Prozent liegt. Ob jemand fixiert wird, hängt demnach mehr davon ab, wo und von wem er behandelt wird, als davon, welche Erkrankung er hat und das darf nicht so bleiben, meine Damen und Herren!

Sie tun so, als seien Zwangsfixierungen unumgänglich. Dabei ist die Fixierung an das Bett, die hierzulande oft stunden- ja sogar tagelang dauert, in Großbritannien ganz verboten.
Und Sie wollen jetzt einfach eine Unterschrift mehr zur Genehmigung vorschreiben und verkaufen das als Stärkung der Betroffenenrechte? Das ist skandalös!  
Für Die Linke sage ich Ihnen klar: Zwangsfixierungen sind für uns - wenn überhaupt - nur das allerletzte Mittel im Notfall! Um wirklich etwas für die Betroffenen zu verbessern, sorgen Sie für eine angemessene Personalausstattung in den Einrichtungen! Machen Sie sich für Krisenräume stark. Setzen Sie in Krisensituationen auf das Festhalten durch Pflegekräfte statt auf das Festschnallen. Stärken Sie Behandlungsvereinbarungen und Patientenverfügungen! Und schreiben Sie endlich präventive Deeskalationskonzepte vor! Wir sind überzeugt: Alleine dadurch könnten sehr viele Zwangsbehandlungen überflüssig werden. Nehmen Sie den Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zu Folter ernst, der schon 2013 auf Basis der UN-Behindertenrechtskonvention ein Verbot von Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie gefordert hat.

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob eine gänzlich gewaltfreie Psychiatrie möglich ist. Aber wir müssen doch alles Menschenmögliche tun, um diesem Ziel so nahe wie möglich zu kommen. Und dazu leistet das vorliegende Gesetz genau so wenig, wie die letzten Gesetze. Deswegen  werden Sie unsere Zustimmung dazu nicht erhalten.