Ein Jahr nach der Lützerath-Räumung: Rechtsstreit um Demonstrationsfreiheit geht weiter

Die Linke NRW

Dürfen Eigentümer Versammlungen auf öffentlich zugänglichen Grundstücken mit Hilfe der Kommunalbehörden untersagen? Darum geht es im Kern bei einem Rechtsstreit, den die Bundestagsabgeordnete und Landessprecherin der Linken, Kathrin Vogler, seit einem Jahr gegen den Kreis Heinsberg führt.

Kurz zusammengefasst: Der Kreis Heinsberg hatte im Vorfeld der Räumung des besetzten Weilers Lützerath eine Allgemeinverfügung erlassen, die das Betreten der im Besitz der RWE AG befindlichen Liegenschaft ab dem 23.Dezember 2022 pauschal untersagte. Die Straßen und Wege in diesem Gebiet waren jedoch weiterhin für den allgemeinen Verkehr zugänglich und die Polizeibehörde Aachen hat auch weiterhin die Durchführung von Versammlungen und Mahnwachen in diesem Gebiet bis einschließlich zum 9. Januar 2023 bestätigt.

Die Klägerin sieht sich durch diese Allgemeinverfügung zu Unrecht in ihrem grundgesetzlich verbrieften Demonstrationsrecht beeinträchtigt und hat beantragt, die Rechtswidrigkeit der Verfügung in diesem Punkt festzustellen. Das Verwaltungsgericht Aachen hat diese Klage zurückgewiesen und Kathrin Vogler hat nun durch ihren Rechtsanwalt beim Oberverwaltungsgericht NRW in Münster einen Antrag auf Zulassung zur Berufung eingereicht.

Vogler: „Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen ist grob fehlerhaft, weil das Gericht die grundsätzliche Bedeutung der Versammlungsfreiheit als von der Verfassung geschütztes Grundrecht einfach ignoriert hat. Wenn wir zulassen, dass künftig Grundbesitzer darüber entscheiden, welche Wege Protestdemonstrationen nehmen dürfen, dann wird dieses Grundrecht ausgehöhlt und entwertet. Theoretisch könnten dann auch Streikposten auf Zufahrtswegen zu bestreikten Unternehmen durch eine ordnungsbehördliche Verfügung untersagt werden. So weit darf es nicht kommen!“

Ihr Anwalt Wilhelm Achelpöhler ergänzt: „Aus Sicht des Verwaltungsgerichts reicht allein der gegenüber der Ordnungsbehörde bekundete Wille der Grundeigentümer aus, den öffentlichen Verkehr zu beenden. Danach wäre für die Versammlungsfreiheit kein Raum, der Privateigentümer unterliegt damit keinerlei Grundrechtsbindungen, und muss daher weder die Anwesenheit von Demonstranten (Art. 8 Abs. 1 GG) noch von Pressevertretern (Art. 5 Abs. 11 GG) hinnehmen.

Konflikte um die Versammlungsfreiheit, etwa das Recht der Versammlungsteilnehmer, sich an einem Ort zu versammeln, der ihr Anliegen in besonderer Weise zum Ausdruck bringt, könnten künftig vermieden werden, wenn die Zufahrtswege etwa zu Atom- oder Braunkohlekraftwerken in das Eigentum der jeweiligen Energieversorgungsunternehmen übergehen, weil es dann ausreichen würde, wenn dieses Unternehmen einen Antrag bei der Ordnungsbehörde auf ein Aufenthaltsverbot stellt, um die Versammlungsfreiheit außer Kraft zu setzen. Ich bin überzeugt, dass dieses Urteil in der Berufungsinstanz keinen Bestand haben kann.“

Kathrin Vogler: „Die politische Dimension dieses Urteils ist gigantisch. Was zählt in diesem Land: Grundrechte oder Geld? Als Linke verteidige ich die Grundrechte aller Bürgerinnen und Bürger gegen die Macht der großen Konzerne, ob in Lützerath oder anderswo.“

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