VI.2. Schule ohne Hausaufgaben – Schule ohne Noten

Lernen ist erfolgreich mit Interesse und Motivation. Die entstehen nicht durch Druck, Klassenarbeiten und Noten, sondern durch eigenverantwortliches Lernen, das Raum gibt für Irrtümer, Fehlersuche, spannende Projekte und Kleingruppenarbeit.

Die übliche Teilung von Vormittags-Unterricht und Nachmittags-Hausaufgaben entspricht nicht der Lernforschung und vertieft die Bildungsungleichheit. In vielen Ländern Europas sind die Schulen nicht nur besser ausgestattet, sondern die erfolgreichen PISA-Staaten verfahren auch im Ganztag und ohne Ziffernnoten.

Wenn Schüler:innen von 8 bis 16 Uhr in der Schule sind, ändert sich das Lernen. Richtige Ganztagsschulen kennen keine Hausaufgaben, denn die Zeiten für Übungen und Training liegen während der Schulzeit im Ganztag. Nach dem Schultag haben alle Kinder und Jugendliche frei für Spiel und Hobbys. Am Ende des Schultags gilt: Alle Bücher, Hefte und Materialien bleiben in der Schule. Damit fällt auch das Tragen schwerer Schultaschen weg.

Was tun?

  • Verlässlichen Schulbetrieb von 8 bis 16 Uhr sicherstellen
  • Spätestens ab 16 Uhr und am Wochenende Freizeit für die Schüler:innen wahren
  • Übungsaufgaben in die Schulzeit integrieren
  • Schulmaterial in der Schule lassen, keine täglichen schweren Ranzen mehr

VI.2.1. Schluss mit Stress durch Noten, Zeugnisse und Sitzenbleiben

Bereits Grundschulkinder leiden zunehmend darunter, doch für Jugendliche wird es vor allem an den Gymnasien zum Normalzustand: Schule bedeutet immer häufiger Lernstress bis in den Abend, Angst vor Noten und Zeugnissen und Sorgen um die Zukunft. Immer mehr Schüler:innen werden krank durch Stress. Die UN-Kinderrechtskonvention garantiert das Recht auf Freizeit und Spiel. Wir nehmen die Diskussion um die Kinderrechte und die Warnungen der Pädagog:innen und Mediziner:innen ernst.

Ebenso wie die Schulforschung und die Bildungswissenschaft wollen auch wir das unzureichende System der Ziffernnoten überwinden. An ihre Stelle sollen individuelle Beurteilungen treten, die Fähigkeiten beschreiben und Lernfortschritte berücksichtigen.

Leistungsbewertung muss der Lernförderung dienen, nicht der Beschämung und Bestrafung. Daher muss sie im Dialog lernförderliche Hinweise geben und ermutigen. Darin müssen Lehrkräfte fortgebildet werden, sodass wir eine „Kultur des Behaltens“ statt einer „Kultur des Sitzenbleibens“ in den Schulen einführen wollen.

Ziffernnoten soll es nur noch für die Abschlusszeugnisse geben. Unser Ziel ist eine Schule ohne Noten.

Was tun?

  • Fähigkeiten und Lernfortschritte individuell beurteilen statt Ziffernnoten
  • Stress und Leistungsdruck abbauen und eigene Motivation fördern
  • „Sitzenbleiben“ abschaffen
  • „Kultur des Behaltens“ entwickeln
  • Jahrgangswiederholung nur auf Antrag der Schüler:innen ermöglichen
  • Schüler:innen gezielt fördern
  • Eine von den Schüler:innen ausgehende und sie begleitende Bildungswegberatung erweitern

VI.2.2. Bessere Grundschulen mit gebührenfreiem Ganztag

Nur knapp über fünfzig Prozent der Grundschulkinder erhalten einen Platz im gebührenpflichtigen sogenannten „offenen Ganztag“. Dieser wird von außerschulischen Trägern und Vereinen an einem Teil der Grundschulen als Nachmittagsbetreuung mit höchst unterschiedlicher Qualität organisiert. Die meisten Mitarbeitenden im „offenen Ganztag“ haben schlecht bezahlte, unsichere Jobs. In vielen Schulen erhalten Kinder nur dann einen Platz, wenn die Eltern umfassende Berufstätigkeit nachweisen. Dem „offenen Ganztag“ fehlt es an einer gesetzlichen Verankerung, an verbindlichen Qualitätsstandards, an guter Arbeit und er muss schrittweise zum gebundenen Ganztag umgewandelt werden. Dies wollen wir in einem Gesetz für guten Ganztag umsetzen.

2026 soll bundesweit ein Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz im Primarbereich eingeführt werden. Die Ganztagsgarantie in der Grundschule wird landesseitig in NRW weder geplant noch mitfinanziert, obwohl bis 2026 bis zu 200.000 Plätze fehlen. Um allen Kindern einen Platz bieten zu können, gibt es dringenden Ausbau- und Investitionsbedarf besonders bei den 2.800 Grundschulen im Land, welchen die Städte und Gemeinden zu bewältigen haben. Es fehlen nicht nur Räume (wie Mensen, Essensräume, Gruppenräume) und Flächen, sondern auch Fachpersonal (z. B. Erzieher:innen).Auch die von der Bundesregierung versprochene Ganztagsgarantie ändert nichts daran, dass der Platz gebührenpflichtig sein wird. Das muss sich ändern: DIE LINKE fordert gebührenfreie Bildung!

Seit der Abschaffung verbindlicher Grundschuleinzugsbezirke durch die damalige CDU-FDP-Landesregierung zum Schuljahr 2008/09 hat sich die Segregation von Grundschulen und der Wettbewerb durch Schulprofile zwischen ihnen verstärkt. Inzwischen beginnt die soziale Selektion oft schon mit der Einschulung, durch Schulen, in denen deutschstämmige Kinder oder welche mit Migrationshintergrund unter sich bleiben. Wir wollen keine Bildungssegregation, sondern Schulen, in denen alle Kinder eines Viertels gemeinsam lernen.

Was tun?

  • Elternbeiträge für den offenen Ganztag streichen, da Schule gebührenfrei sein muss
  • Vorhandene Plätze ausbauen, damit jedes Kind bei Bedarf einen Platz erhalten kann
  • Qualifizierte Erzieher:innen und Lehrkräfte im Ganztag beschäftigen
  • Den offenen schrittweise zum gebundenen Ganztag umbauen: Neue Ganztagsschulen auch im Primarbereich vor allem als gebundene Ganztagsschulen genehmigen. Perspektivisch sollen offene flächendeckend in gebundene Ganztagsangebote umgewandelt werden.
  • Rechtsanspruch auf Ganztagsplatz im Primarbereich im Schulgesetz verankern und umsetzen, mit dauerhaften und regelmäßigen Investitionen für die Sanierung des Lern- und Lebensortes Schule
  • Das Förderprogramm „Gute Schule 2020“ erweitern und darüberhinausgehend umfassende und dauerhafte Investitionen für Schule sicherstellen
  • Für Groß und Klein: Nach 16 Uhr muss Feierabend sein!
  • Grundschuleinzugsbezirke sollen wieder verbindlich eingeführt werden

VI.2.3. Freizeit in der Schule mit Partnern gemeinsam gestalten

Bessere Schulen und weniger Stress für Schüler:innen und ihre Familien bedeutet, dass ein Teil der Freizeitaktivitäten in den ganztägigen Schultag integriert ist. Die Musikschule, Sportvereine, Theater oder Kunstprojekte sowie über den Unterricht hinausgehende Angebote, wie Wissenschaftsprojekte, Arbeitsgruppen und Debattierklubs, werden in die Schule hineingeholt und entwickeln in fester Zusammenarbeit mit den Lehrkräften und Erzieher:innen ein vielfältiges Angebot.

Damit ein solches Angebot flächendeckend entstehen kann, muss die Landesregierung endlich die bereits versprochenen Mittel für die Zusammenarbeit zwischen den Schulen und außerschulischen Partnern bereitstellen. Dazu gehört auch, dass für solche Angebote keine zusätzlichen Gebühren erhoben werden. Ehrenamtliche Tätigkeiten dürfen dabei keine ersetzende Funktion haben und so missbraucht werden.

Was tun?

  • Start und Finanzierung umfassender Zusammenarbeit von Schulen und Partnern
  • Gebührenfreie Angebote: jedem statt nur manchem Kind ein Instrument
  • Sport und Kultur im Ganztag statt Terminstress in der Freizeit
  • Ausbau von Sport- und Freizeitstätten

VI.2.4. Bessere Sozialarbeit für alle Schulen

Die Schulsozialarbeit muss dringend als feste Aufgabe der Schulen mit einem ausreichenden Schlüssel zur Schüler:innenzahl ins NRW-Schulgesetz aufgenommen werden. Die Dienstaufsicht soll bei den Schulleitungen, die Fachaufsicht bei den Jugendämtern liegen, damit die Sozialpädagog:innen von der Schulleitung unabhängige Ansprechpartner:innen sein können. Gleichzeitig wären damit die Sozialpädagog:innen feste Größen in einem Kollegium. Sie arbeiten unter den Bedingungen der Tarifbindung (TV‑L) und Personalvertretung nach dem Landespersonalvertretungsgesetz.

Was tun?

  • Schulsozialarbeit fest im Schulgesetz mit ausreichendem Schlüssel verankern
  • Finanzierung sichern für feste Stellen als Landesbeschäftigte mit Tarifbindung

VIO.6.5. Multiprofessionelle Teams

Es gibt Bereiche im Schulalltag, die Lehrkräfte – neben ihren zahlreichen Aufgaben – nicht abdecken können. Um Schüler:innen umfassend und angemessen fördern zu können, fordert DIE LINKE deshalb, an allen Schulformen des Landes NRW dauerhaft multiprofessionelle Teams einzurichten. Diese sollen neben den Lehrkräften – je nach Bedarf der einzelnen Schulen – z. B. aus Sozialpädgog:innen, Sonderpädagog:innen, Erzieher:innen, Schulpädagog:innen, Schulpsycholog:innen und Integrationshelfenden bestehen.

Multiprofessionelle Teams brauchen nicht nur eine Verankerung in der Organisation der Schule, sondern auch Zeitkontingente für Besprechungen und die Mitgestaltung des Systems Schule. Ihre Mitglieder sind auf Augenhöhe in das Kollegium zu integrieren. Da multiprofessionelle Teams nicht von selbst entstehen, sind Schulen durch Fortbildungsangebote auf diesem Weg zu unterstützen, sie bedürfen auch der innerschulischen Unterstützung durch die Schulleitung und die Schulaufsicht. Gleichzeitig nimmt ein multiprofessionelles Team auch Verantwortung für die pädagogische Organisation der gesamten Schule wahr und erledigt Aufgaben im Rahmen der programmatischen Schulentwicklung. Sie sind damit feste Größen in einem Kollegium. Sie arbeiten unter den Bedingungen der Tarifbindung (TV-L) und Personalvertretung nach dem Landespersonalvertretungsgesetz.

Was tun?

  • Einrichtung multiprofessioneller Teams (Schulsozialarbeit, Schulpädagogik, Schulpsychologie, Sonderpädagogik, Inklusionshilfe) fest im Schulgesetz mit ausreichendem Schlüssel und Ressourcen verankern
  • Finanzierung sichern für feste Stellen als Landesbeschäftigte mit Tarifbindung

VI.2.6. Schulen demokratisch gestalten und als Orte der politischen Bildung stärken

Autonomie und Demokratie spielen für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen eine wichtige Rolle. Schüler:innen sollen von Anfang an lernen, ihr Zusammenleben und ihr Lernen selbst zu gestalten. Das gilt für die Inhalte wie für die Formen des Lernens. Projektorientierung und die Überwindung von Klassen- und Altersgrenzen sind wichtige Schritte für eine Selbstorganisierung des Lernprozesses.

In allen Schulen braucht es verbindlich demokratische Erziehung und politische Bildung. Dazu gehören institutionalisierte Beteiligung der Schüler:innen, durchgängig in der Stundentafel politische Bildung durch Fachlehrkräfte und Arbeitsgemeinschaften, die sich auch im schulischen Umfeld mit politischen Aktionen beschäftigen. Nur so beugt Schule dem Legitimationsverlust des demokratischen Systems vor.

Was tun?

  • Entscheidungsstrukturen der Schulen demokratischer gestalten
  • 50 Prozent Stimmen in der Schulkonferenz den Schüler:innen
  • Schüler:innenvertretungen zugestehen, sich mit allen Belangen befassen zu dürfen
  • In allen weiterführenden Schulen wird ein mindestens zweistündiges Unterrichtsfach „Politische Bildung“ in allen Jahrgangsstufen mit ausgebildeten Fachlehrer:innen für das Fach Sozialwissenschaften eingeführt. Dazu sind in der gymnasialen Oberstufe mehr Möglichkeiten zur Wahl von Leistungskursen aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld für das Abitur zu schaffen.
  • Stärkung der partizipativen Schul- und Unterrichtsentwicklung
  • Verankerung einer institutionalisierten Form demokratischer Erziehung und politischer Bildung auf allen innerschulischen Handlungsebenen und im Schulentwicklungsprogramm

VI.2.7. Besser lernen in einer gemeinsamen Schule

Bildungschancen sind im selektiven Schulsystem sehr ungleich verteilt – Corona hat es allen verdeutlicht. Besonders hohe Risiken aussortiert zu werden, haben Kinder aus armen Familien und Kinder aus Familien mit Migrationsgeschichte.

Wir wollen das Schulsystem deshalb weiterentwickeln zu einer gemeinsamen Schule für alle Kinder von der ersten bis zur zehnten Klasse in Ganztagsform. Diese Schule bezieht alle Schulformen, auch Förderschulen und Gymnasien, ein. Die gemeinsame Schule orientiert sich an den individuellen Lernbedürfnissen einzelner Schüler:innen. Sie ist inklusiv und sozial ausgleichend.

Diese Schule ist jahrgangsübergreifend, fördernd und kennt keine Ziffernnoten. Sie fördert das soziale Miteinander und den Spaß am Lernen.

Was tun?

  • Individuelle Förderung und Rücksicht auf die persönliche Entwicklung
  • Mehr jahrgangsübergreifendes Lernen
  • Klassen auf zwanzig Schüler:innen verkleinern
  • Teamteaching, insbesondere zur Inklusion von Menschen mit Förderbedarf
  • Schulen in NRW schrittweise zu besseren gemeinsamen Schulen umbauen
  • Als Zwischenschritte auf dem Weg zu einem längeren gemeinsamen Lernen wollen wir:
  • Weiterführende Schulen vorrangig als Gesamtschulen errichten
  • Gymnasien: Sie behalten alle Schüler:innen, die sie aufgenommen haben, nehmen keinerlei Abschulungen vor, vergeben alle Abschlüsse der Sekundarstufen I und II und bieten im Wahlpflichtbereich neben der zweiten Fremdsprache auch weitere nicht-sprachliche Unterrichtsinhalte an, insbesondere auch Arbeitslehre und Pädagogikunterricht.

VI.2.8. Gesamtschulen dem realen Bedarf anpassen

Gesamtschulen kommen der Idee und Praxis einer besseren gemeinsamen Schule am nächsten. Statt jährlich mehr als 5.000 Kinder in NRW wegen Platzmangel abzuweisen, sollten die Gesamtschulen sofort ausgebaut und so weiterentwickelt werden, dass sie dem Anspruch einer Schule der Vielfalt und Differenz so entsprechen, dass sie in ihrer inneren Strukturierung auf Elemente eines gegliederten Schulsystems verzichten, z. B. auf eine äußere Fachleistungsdifferenzierung, und sich zu Teamschulen entwickeln.

Der Landtag soll schnellstmöglich allen Kindern einen Rechtsanspruch auf einen Gesamtschulplatz gewähren und die Kommunen beim bedarfsdeckenden Ausbau der Gesamtschulen unterstützen.

Was tun?

  • Einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Gesamtschule für jedes Kind
  • Weiterführende Schulen vorrangig als Gesamtschulen errichten

VI.2.9. Oberstufe und Berufskolleg gemeinsam zur besseren Sekundarstufe II entwickeln

Was in vielen Städten bereits aus der Not geboren wurde, sollte zu einer besseren Schule ab dem 11. Jahr weiterentwickelt werden: Oberstufenzentren mit einem breiten Fächerangebot, die mit mehreren Schulen der Sekundarstufe I vor Ort kooperieren.

In der Oberstufe steht die Vorbereitung auf den Beruf mit dem Setzen persönlicher Schwerpunkte im Mittelpunkt. Dafür muss es eine Mindestgröße geben, die Wahlmöglichkeiten in einem breiten Fächerangebot ermöglicht. Mit Oberstufenzentren kann zudem die mit dem Rückgang der Schüler:innenzahlen entstandene Versorgungslücke im ländlichen Raum geschlossen werden. Zukünftig sollen diese Oberstufenzentren mit den Berufskollegs zu einem umfassenden System der Sekundarstufe II verbunden werden, das die Möglichkeit bietet, die Hochschulreife und eine Berufsausbildung in flexiblen Zeiträumen zu erreichen.

Um den Anspruch einer umfassenden Bildung realisieren zu können, ist auf kompetenzorientierte Kernlehrpläne (nicht nur in der Oberstufe) zu verzichten. Sie sind durch Lehrpläne zu ersetzen, die ein fachbezogenes Verständnis von Bildung als Zentrum ausweisen und dieses im Lehrplan in einer operativen Form entfalten. Bei der Erstellung solcher von Bildung bestimmten Lehrplänen sind die Betroffenen zu Beteiligten zu machen.

Das 2007 in NRW eingeführte Zentralabitur ist wegen der empirisch festgestellten Kollateralschäden und der negativen Auswirkungen auf die Gestaltung von Unterricht so zu modifizieren, dass neben zentralen Aufgaben den einzelnen Schulen Möglichkeiten gegeben werden, die Besonderheit ihres Profils und ihres Standortes in dezentral formulierten Aufgaben mit gleichwertiger Berücksichtigung im Anforderungshorizont und bei der Leistungsbewertung zum Ausdruck zu bringen.

Was tun?

  • Gemeinsame Oberstufenzentren für jeweils mehrere Sekundarstufe-I-Schulen einrichten
  • Ein umfangreiches Fächerangebot in allen Oberstufen sicherstellen
  • Oberstufe und Berufskolleg zu einer besseren Sekundarstufe II entwickeln

VI.2.10. „Ungleiches ungleich behandeln“

Die Coronapandemie mit Wechselunterricht, Schulschließungen und Distanzlernen hat allen jüngst geschnürten Aufholpaketen zum Trotz die Schere der Bildungsungleichheit noch weiter aufgehen lassen. Die schulischen Nachteile von Schüler:innen aus einkommensarmen, sozioökonomisch benachteiligten und nichtakademischen Elternhäusern haben sich währenddessen ebenso vergrößert wie die schulischen Leistungen besser gestellter Gleichaltriger.

Schon vor Corona waren die Schulen je nach räumlicher Lage und Schülerschaft mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. Schulen mit vielen Herausforderungen haben die größten Klassen und die meisten unbesetzten Stellen. Wenn neues Personal kommt, sind es oft Seiteneinsteiger:innen, die zusätzlich didaktisch und pädagogisch qualifiziert werden müssen.

Bisher gab es zusätzliche Ressourcen für Kommunen, nicht für betroffene Schulen, was zu Ungerechtigkeiten führte. Endlich hat die Landespolitik auf den „schulscharfen“ Sozialindex umgestellt. Der schulscharfe Sozialindex misst zwar an der einzelnen Schule den Anteil von Schüler:innen aus Familien, die Transferleistungen beziehen oder eine nichtdeutsche Familiensprache haben. Aber die zusätzlichen Ressourcen orientieren sich nicht am Bedarf der Schulen, sondern sie werden jetzt unter vielen bedürftigen Schulen verteilt. Das bringt eher weniger als mehr Unterstützung.

DIE LINKE fordert, diese Schulen mit besonderen Herausforderungen personell, räumlich und sachlich wesentlich besser auszustatten und hierfür verbindliche Kriterien festzulegen.

Das Lehrkräfteeinstellungsverfahren muss umgestellt werden: Statt der „schulscharfen“ Ausschreibung, Auswahl und Einstellung muss die Lehrkräfteverteilung wieder über die Bezirksregierungen laufen, damit diejenigen Schulen, die besonderen Bedarf an bestem Personal haben, dieses auch bevorzugt bekommen.

Was tun?

  • Dem Landessozialindex für Schulen müssen mehr Ressourcen folgen: Schulen mit hohen Indexwerten sind landesseitig besonders gut, nach verbindlichen Kriterien mit mehr Personal, zusätzlichen Mitteln und kleineren Klassen auszustatten.
  • Auch „Mehraufwandszulagen“ für die dort Beschäftigten sollten mit den Gewerkschaften verhandelt werden.
  • Auch Schulsozialarbeit, Sonderpädagog:innen, multiprofessionelle Teams, hochwertige Ganztagsangebote, kostenfreie Mahlzeiten und Lernmittelfonds sollen hier prioritär realisiert werden. Elternarbeit und Berufsorientierung erhalten einen hohen Stellenwert.
  • Die Schüler:innen dieser Schulen sind prioritär mit digitalen Endgeräten auszustatten, Elternhäuser erhalten Kosten für ein heimisches WLAN.
  • Durch Aus- und Weiterbildungsangebote werden Lehrkräfte für die soziale Benachteiligung der Schüler:innen sensibilisiert und im Rahmen der Institution und des Unterrichtes handlungsfähiger.

VI.2.11. Inklusion in Regelschulen braucht Ziel, Konzept und viel mehr Personal

Die von Rot-Grün 2014/15 realisierte Inklusion an Regelschulen im Gemeinsamen Lernen wurde zwar überhastet eingeführt, war unvorbereitet und finanziell wie personell unterausgestattet, aber ein Schritt in die richtige Richtung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.

Die Praxis zeigt: Das Nebeneinander von Inklusion in Regel- und Förderschulen hat die Ressourcenknappheit insbesondere an Regelschulen weiter verschärft. Individuelle Förderung aller Schüler:innen mit und ohne Förderbedarf ist unter gegebenen Rahmenbedingungen mit zu großen Klassen in häufig beengten Räumen, fehlendem Teamteaching und kaum Sonderpädagog:innen fast unmöglich. Darunter leiden alle Beteiligten: die Schüler:innen mit und ohne Behinderungen und die Lehrkräfte.

Das FDP-geführte Schulministerium hat die Inklusionspolitik neu justiert mit dem Ziel, Förderschulstrukturen zu stärken und Gymnasien aus der Inklusion zu verabschieden. Während viel von Qualitätskriterien die Rede war, hat sich an der Unterausstattung des Regelschulsystems nichts geändert: Das Land NRW stellt den weiterführenden Schulen viel zu wenige Lehrkräfte und Sonderpädagog:innen zur Verfügung, um dem Anspruch der Inklusion auch nur im Ansatz gerecht zu werden. Hinzu kommen mangelhafte Gebäude und fehlende Gelder für Hilfsmittel und Materialien. So höhlt man munter den Rechtsanspruch auf gemeinsame Beschulung aus und schadet dem Inklusionsleitbild.

Doch damit nicht genug: Auch die Inklusion an Grundschulen als einziger gemeinsamer Schulform für alle Kinder wird von der schwarz-gelben Landesregierung durch einen Erlass vom Frühjahr 2021 unterminiert und erschwert. Qualität wird zwar als Anspruch erhoben, steht aber nur auf dem Papier.

DIE LINKE will eine Kurskorrektur der schulischen Inklusionspolitik, die Regelschulen als Orte inklusiver Förderung bestmöglich ausstattet. Inklusive Klassen sollen in einem ersten Schritt auf zwanzig Schüler:innen bei vier Kindern im Förderbedarf gemäß AO-SF-Verfahren beschränkt und mit einer zweiten Lehrer:innenstelle ergänzt werden. Für diese Klassen muss es verbindliche Personal- und Qualitätsstandards geben, welche multiprofessionelle Teams, mehr Lehrer:innen- bzw. Sonderpädagog:innenstellen sowie Fort- und Weiterbildung umfassen.

Was tun?

  • Garantie auf einen Platz im gemeinsamen Unterricht
  • Verbindliche Qualitätskriterien für guten inklusiven Unterricht
  • Eine Doppelbesetzung für Klassen im inklusiven Unterricht
  • Mindestens 9.000 Lehrer:innenstellen zusätzlich für den Inklusionsprozess
  • Integration der Sonderpädagog:innen in das jeweilige Kollegium der Regelschulen
  • Aus- und Weiterbildungsprogramm für 1.000 Sonderpädagog:innen pro Jahr
  • Lehrkräfte werden zur Hälfte ihrer Stunden freigestellt für die Weiterbildung
  • Die schrittweise Abschaffung der Förderschulen gemäß den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention und Umwandlung aller Regelschulen in Orte des Lernens und Förderns für alle Kinder.
  • Förderzentren zur Unterstützung der Regelschulen bei der Entwicklung zur inklusiven Schule

VI.2.12. Bessere Schulen integrieren kulturelle Vielfalt und Mehrsprachigkeit

Rund 38 Prozent aller Schüler:innen in NRW haben eine Zuwanderungsgeschichte. Sie haben damit einen wesentlichen Anteil an der Zukunft unserer Gesellschaft. Obwohl der Erhalt und fachsprachliche Ausbau der Familiensprache unbestritten die Lernleistung in allen Fächern und die Persönlichkeitsentwicklung fördern, erhalten viel zu wenig Schüler:innen herkunftssprachlichen Unterricht, da die Landesregierung dafür zu wenig Stellen vorsieht, die zudem noch schlecht bezahlt sind.

Gezielte und allgemeine Sprachförderung muss für alle Kinder mit entsprechendem Bedarf ausgebaut werden, unabhängig von Herkunft und Muttersprache. Die natürliche Mehrsprachigkeit und die deutsche Sprachentwicklung von Kindern mit anderer Familiensprache soll auch im Regelunterricht der Schulen gezielter unterstützt werden, z. B. durch sprachensensibles Unterrichten. Unterricht und Förderung in der Familiensprache sollte in den Grundschulen für mehrsprachige Kinder in der Form von Ergänzungsunterricht und für alle in weiterführenden Schulen als offene Fremdsprachenangebote angeboten werden. An weiterführenden Schulen sollen Herkunftssprachen stärker wertgeschätzt und verstärkt als zweite Fremdsprache angeboten werden.

Was tun?

  • Förderung der Sprachkenntnisse in einem für alle offenen Ergänzungsunterricht
  • Fortbildung der Lehrkräfte mit den Fächern Deutsch als Zweitsprache und Deutsch als Fremdsprache
  • Zweisprachige Alphabetisierung in der Grundschule, wie bereits in Modellen erprobt
  • Wie in Niedersachsen und Schleswig-Holstein ist „Deutsch als Zweitsprache“ als reguläres Fach in der Schule und in der Lehrer:innenausbildung anzubieten.

VI.2.13. Geflüchtete und neu zugewanderte Kinder und Jugendliche in Schulen besser unterstützen

Derzeit werden geflüchtete Kinder in NRW erst beschult, wenn sie einer Kommune endgültig zugewiesen wurden und dort ihren Wohnsitz haben. Diese Praxis widerspricht der von Deutschland unterschriebenen UN-Erklärung über die Menschenrechte der Kinder und ist damit rechtswidrig. Ebenso haben Menschen nach der Neuzuwanderung aus EU-Staaten oder nach Familienzusammenführungen kaum Chancen auf den Erhalt ihrer Erstsprache, obwohl das ihr Recht nach einem Europaratsbeschluss ist. Für alle gilt, dass es viel zu wenig Plätze in Seiteneinstiegsklassen gibt.

Besonders integrationsfeindlich ist der Erlass zur Beschulung von (geflüchteten) Jugendlichen: Mit ihrem 18. Lebensjahr endet derzeit ihre Beschulung – auch am Berufskolleg, falls sie bis dahin nicht bereits eine duale Ausbildung oder eine Fachschulausbildung aufgenommen haben. Das hindert sie vielfach daran, ihre Deutschkenntnisse in den Seiteneinstiegsklassen zu vervollständigen. Auch eine Integration in Regelklassen gemäß erreichtem Wissensstand ist oft nur eingeschränkt möglich, da die Jugendlichen dann viel älter als ihre Mitschüler:innen sind. Für diese Gruppen müssen andere, altersadäquate Lernangebote gefunden werden, die ihrem Lernstand, aber vor allem ihrem Reifeprozess und ihren Fähigkeiten und beruflichen Interessen entsprechend gestaltet werden.

Was tun?

  • Beschulung von geflüchteten und neu zugewanderten Kindern von Anfang an
  • Schulbesuch für geflüchtete und neu zugewanderte Jugendliche bis zum Schulabschluss
  • Einrichtung von speziellen Klassen für (geflüchtete) Jugendliche gemäß ihrem Lernstand

VI.2.14. Bessere Bildung ohne bekenntnisorientierten Religionsunterricht

Wir setzen uns für Religionsfreiheit und für die klare Trennung von Religionsgemeinschaften und Staat ein. Religionsfreiheit kann nicht bedeuten, dass man nur zwischen verschiedenen großen Religionsgemeinschaften wählen kann. Tatsächliche Religionsfreiheit ist erst gegeben, wenn es keine institutionelle Förderung ausgewählter Religionsgemeinschaften und ihrer Organisationen durch den Staat gibt. Gesellschaftspolitische, philosophische und ethische Fragen sollten in Schulen in einem gemeinsamen Unterrichtsfach thematisiert werden. Wir wollen alle Kinder und Jugendlichen mitnehmen und niemanden diskriminieren. Der gemeinsame religionsübergreifende Unterricht wäre ein wichtiger Beitrag zur Integration. Das Verbindende und das Kennenlernen verschiedener Weltanschauungen und Religionen sollte im Mittelpunkt stehen, nicht das Trennende. Bisher ist das Schulfach „Praktische Philosophie“ in der 5. bis 10. Klasse bzw. Philosophie in der Oberstufe lediglich Ersatzfach für das Pflichtfach Religion. Die geltenden Philosophie-Lehrpläne waren viel besser geeignet für einen gemeinsamen Unterricht zum Thema Ethik, Religionen und Weltanschauungen. Wir fordern LER (Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde) als gemeinsames Schulfach.

Was tun?

  • LER (Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde) als reguläres Fach für alle Schüler:innen
  • Schule muss Eltern und Schüler:innen darüber informieren, dass die Abmeldung vom konfessionellen Religionsunterricht jederzeit möglich ist.
  • Unterschiedliche Religionen und Weltanschauungen zusammen kennenlernen
  • Garantie auf bekenntnisorientierten Unterricht aus der Landesverfassung streichen

VI.2.15. Sexuelle Vielfalt zum Unterrichtsinhalt machen

Der Sexualkundeunterricht soll Schüler:innen über Sexualität aufklären und ihnen einen geschützten Raum zur Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität bieten. Der aktuell angebotene Sexualkundeunterricht ist allerdings veraltet und hält am heteronormativen Verständnis von Sexualität bzw. Sex fest. Queere Menschen werden hier bereits in der Schule diskriminiert. Die Richtlinien des Landes NRW zur Sexualerziehung müssen von diskriminierenden und heteronormativen Vorstellungen befreit und verbindliche Fortbildungen zur Sexualpädagogik ausgebaut werden. Wir fordern, dass im Sexualkundeunterricht über Queer Sex und Safer Sex aufgeklärt wird.

Geschichtsunterricht soll Schüler:innen die Kompetenz vermitteln, das aktuelle Weltgeschehen zu verstehen und sich ein eigenständiges Urteil darüber bilden zu können. Die Geschichte der Diskriminierung queerer Menschen reicht weit zurück und auch heute werden queere Menschen Opfer von Anfeindungen. Schüler:innen sollen sich im Geschichtsunterricht verbindlich mit der Geschichte queerer Menschen und Queerfeindlichkeit in NRW auseinandersetzen. Nur so ist ein Bewusstsein für diese weitreichende Diskriminierungsform möglich.

Was tun?

  • Richtlinien des Landes NRW zur Sexualerziehung von diskriminierenden und heteronormativen Vorstellungen befreien
  • Verbindliche Fortbildungen zur Sexualpädagogik ausbauen
  • Aufklärung über Queer Sex und Safer Sex im Sexualkundeunterricht
  • Geschichte queerer Menschen und von Queerfeindlichkeit zum festen Bestandteil des Geschichtsunterrichts in NRW machen
  • Projekt „Schule der Vielfalt“ deutlich ausbauen

VI.2.16. Netz- und Medienkompetenz stärken

Die neuen Medien und die damit verbundene Digitalisierung prägen die Lebenswelt der Schüler:innenschaft. In diesem Bereich darf das Feld nicht privaten Unternehmen, Verlagen und Bildungsanbietern überlassen werden. Wir setzen uns für den Einsatz von Open-Source-Software sowie die Nutzung und die Erstellung offener Lehr- und Lernmaterialien (Open Educational Resources, OER) ein. Wir wollen, dass das Land NRW ein Portal erstellt, welches diese Ressourcen sammelt und allen Menschen ungeachtet ihres sozialen Status und ihrer finanziellen Möglichkeiten zur Verfügung stellt.

Viele digitale Angebote sind intuitiv, ohne Vorwissen nutzbar. Den verantwortungsbewussten Umgang mit Medien müssen Kinder und Jugendliche aber erlernen. In der Schule muss Medienbildung stärker vermittelt werden, dazu zählen Medienkritik, Medienkunde und Mediengestaltung. Unter anderem sind Datenschutz und Privatsphäre, Cyber-Mobbing und Netiquette sowie die digitalen Rechte der Menschen und die Demokratie in Zeiten des Internets zu thematisieren. Auch Lehrer:innen sowie die Eltern müssen im Erlernen und Üben von Medienkompetenz unterstützt werden, dafür bedarf es zusätzlicher Angebote und einer dauerhaften Finanzierung. Die Vermittlung von Medienkompetenz kann aber nicht auf die Schule beschränkt sein, sondern muss auch an den Hochschulen und in der Weiterbildung berücksichtigt werden.

Jede:r Schüler:in braucht ein adäquates Endgerät, ein Notebook oder ein Tablet. Kinder aus einkommensarmen Familien müssen diese Geräte kostenfrei dauerhaft zur Verfügung gestellt bekommen, und nicht nur stundenbasiert in der Schule nutzen dürfen. Jedes Kind benötigt ein eigenes Gerät. Schulen müssen ausreichend mit IT-Administration ausgestattet werden – Lehrpersonal kann das nicht in der Freizeit oder nebenbei leisten.

VI.2.17. Sponsoring und Lobbyismus an den Schulen zurückdrängen

Da es an den Schulen in NRW seit Jahren an vielem mangelt, haben Lobbyverbände, aber auch einzelne Wirtschaftsunternehmen und andere Interessengruppen ein leichtes Spiel, Einfluss auf die Schulen zu nehmen. Sie stellen teilweise Lehr- und Unterrichtsmaterial kostenlos zu Verfügung bis hin zu ganzen Klassensätzen von Laptops. Das geht zum Teil einher damit, dass sie „kompetente Experten“ in den Unterricht schicken, die dann zum Beispiel aus der Sicht des eigenen Unternehmens oder Interessenverbands zu wirtschaftspolitischen Themen Positionen erläutern können.

Eine andere Folge des Mangels an Geld und Personal ist die deutliche Zunahme der kommerziellen Anbieter:innen von Nachhilfe. Hier konnte in den vergangenen Jahren ein riesiger Markt entstehen, obwohl es eigentlich Aufgabe der Schulen sein müsste, Schüler:innen so zu fördern, dass sie nicht nach der Schule noch Nachhilfe in Anspruch nehmen müssen.

Was tun?

  • Erhöhung der Sätze für Lehr- und Lernmittel im Rahmen des Inflationsausgleichs der vergangenen 14 Jahre
  • Vollständige Lehr- und Lernmittelfreiheit und damit Abschaffung der Eigenanteile für Schulbücher, Taschenrechner, digitale Endgeräte
  • Wirtschaftsunternehmen und Interessenverbände dürfen keinen Einfluss auf Schulgestaltung und Unterrichtsinhalte nehmen
  • Private-Public-Partnership auch im Schulbereich beenden
  • Schule frei von Werbung halten
  • Nutzung von Open Source statt Herstellerpräferenzen und Kaufzwang; Erstellung von Anforderungsprofilen für Lernmittel ausschließlich anhand technischer Daten

VI.2.18. In Schule investieren und Lehrkräftemangel beheben

Viele Schulgebäude in NRW sind in einem schlechten baulichen Zustand, viele Toilettenanlagen sind dringend sanierungsbedürftig. Es fehlt an geeigneten Räumen für den Ganztag, an Mensen, Fachräumen und Turnhallen. Seit vielen Jahren ist NRW unter den Bundesländern das Schlusslicht bei der Bildungsfinanzierung. Die Lage wird sich in der nächsten Legislaturperiode weiter zuspitzen, denn anders als noch vor einigen Jahren erwartet, steigt die Zahl der Schüler:innen im Land deutlich. In vielen Kommunen sind die Geburtenzahlen in den vergangenen 10 Jahren um mehr als 25 Prozent angestiegen. Nachdem in der Vergangenheit viel zu oft Schulen geschlossen wurden, wird jetzt erkennbar, dass wieder neue Schulen gebraucht werden. Daher setzen wir uns für ein dauerhaftes Investitionsprogramm für Schulen ein. Bei der Neuerrichtung von Schulen spricht vieles dafür, diese komplett neu zu bauen, weil alte Gebäude häufig nicht modernen Bildungsansprüchen gerecht werden und ein Neubau auch aus energetischen Gesichtspunkten auf lange Sicht oft günstiger ist. Dafür brauchen die Kommunen aber deutlich mehr Geld, als ihnen bislang zur Verfügung steht.

Besonders sichtbar wird der Mangel an Geld und Personal in Zusammenhang mit dem Unterrichtsausfall. Dieser wird in der Statistik des Schulministeriums zwar immer wieder heruntergespielt, tatsächlich haben aber eine Untersuchung des Landesrechnungshofs und auch Stichproben von Elternverbänden gezeigt, dass der Unterrichtsausfall in NRW erheblich ist.

Alarmierend sind auch die Probleme bei der Stellenbesetzung. In NRW gibt es einen gravierenden Lehrkräftemangel. Nicht nur die Arbeitsbelastung, auch die nach wie vor immer noch ungleiche Entlohnung bei gleicher Qualifikation sowie die fehlenden Plätze an den Hochschulen sind Ursachen dafür. Selbst wenn die Hochschulplätze sofort geschaffen würden, bedarf es Übergangslösungen für den aktuellen Bedarf.

Bisher werden die beruflichen Qualifikationen neu zugewanderter bzw. geflüchteter Menschen aus Bildungsberufen nur unter großen Schwierigkeiten anerkannt. Diese in ihren Herkunftsländern erfahrenen Pädagog:innen sind als relevante Zielgruppe kaum im Blick. Einzelne Pilotprojekte an Hochschulen für das C1-Deutschniveau und pädagogisch-didaktische Zusatzqualifikationen müssen unbedingt ausgebaut werden. Noch viele Jahre werden Seiteneinsteiger:innen eine Rolle bei der Besetzung pensionierter Lehrkräfte spielen. Diese müssen mehr Unterrichtsentlastung für ihre pädagogisch-didaktische Ausbildung erhalten. Außerdem werden Seiteneinsteiger:innen schlechter bezahlt als die Regellehrkraft und sie haben keine Chancen auf Beförderungen.

Was tun?

  • Ein umfängliches Investitionsprogramm für Schulsanierung und Schulneubau auflegen
  • 7.500 zusätzliche Lehrkräfte einstellen (Erhöhung der Stellen um 5 Prozent) zur Verbesserung der Unterrichtsqualität (z. B. auch durch Verkleinerung der Klassengrößen) und zur Bekämpfung des Unterrichtsausfalls
  • Die Zahl der Lehramts-Studienplätze durch gezielte Finanzierung der Hochschulen erhöhen
  • Gleiche Bezahlung für alle Lehrkräfte nach A13-Eingangsamt einführen
  • Neu zugewandertes Personal aus Bildungsberufen sprachlich und pädagogisch-didaktisch qualifizieren
  • Seiteneinsteiger:innen entlasten, an den Ausbildungsseminaren in speziellen Gruppen nach ihren Bedarfen qualifizieren
  • Seiteneinsteiger:innen Aufstiegschancen ins Reg Regelsystem der Bewerbungen und Beförderungen bieten