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Redebeitrag der Generaldebatte durch die Landessprecher:Innen

Kathrin Vogler

Redebeitrag zur Generaldebatte zur Lage der Partei

Wir haben viel zu klären:

In Zeiten von Krieg, Inflation und Klimakrise muss DIE LINKE die Stimme derjenigen sein, die zu oft übersehen und überhört werden – sowohl von der Ampelregierung im Bund als auch von der schwarz-grünen Landesregierung in Düsseldorf.

Der Armutsbericht des Paritätischen ist alarmierend: Nordrhein-Westfalen ist mit einer Armutsquote von 19,2% das ärmste westdeutsche Flächenland. Besonders dramatisch ist die Lage für Familien mit Kindern und da insbesondere für Alleinerziehende. Im Ruhrgebiet wächst fas jedes vierte Kind im Sozialleistungsbezug auf. Und wenn sich alle anderen an diese Situation gewöhnt haben – wir finden uns nie, niemals damit ab!

Die Angst vor dem Monatsende hat in vielen Haushalten Einzug gehalten, die bisher noch ganz gut klargekommen sind:

Steigende Preise für Lebensmittel und Energie, steigende Mieten und Wohnungsnot auf der einen Seite stehen unfassbar steigenden Profiten auf der anderen Seite gegenüber: In den Konzernzentralen von RWE, ALDI, Vonovia, Rheinmetall und Co. knallen die Champagnerkorken im Sekundentakt, während Kinder an Rhein und Ruhr hungrig in die Schule gehen müssen.

Diese Kinder, liebe Genossinnen und Genossen, haben keine andere politische Vertretung, sie haben nur uns!

Die Bundesregierung hat vor allem besser Verdienende und Wohlhabende entlastet und damit Ungleichheit vergrößert. Bei der Umbenennung von ALG2 zu Bürgergeld wurde der Regelsatz nicht einmal an die Inflation angepasst. Und die mit großen Hoffnungen erwartete Kindergrundsicherung ist ein Scheinriese: Je mehr sich die Ampel der Umsetzung annähert, umso kleiner werden die Summen: Für eine halbwegs armutsfeste Kindergrundsicherung werden mindestens 20 Milliarden gebraucht. Die grüne Familienministerin Lisa Paus sprach anfangs von 12 Milliarden, Caren Marcks von der SPD in dieser Woche von höchstens 5 und Christian Lindner will am liebsten noch bei den Ärmsten sparen, damit er den Reichen Steuergeschenke machen und die Rüstungsindustrie mit Aufträgen versorgen kann. 

Die so genannte „Fortschrittskoalition“ in Berlin ist eine Koalition des Rückschritts für Millionen von Menschen, nur nicht für Millionär:innen und die grün-gelbe Bionade-Bourgeoisie.

Deshalb ist es sehr gut, dass die Bundespartei am dritten Mai eine Kampagne zur Umverteilung startet. Es gibt nämlich nicht zu wenig Geld in diesem Land, es haben halt nur die Falschen: Für RWE zum Beispiel waren die hohen Strompreise kein Grund für Sorgen – der Konzerngewinn hat sich genau deswegen im Vergleich zu 2022 verdoppelt. Diese unverschämte Umverteilung von unten nach oben – das macht die Leute wütend, und zwar zurecht!

Holen wir uns den Reichtum, da wo er ist! Die Häuser denen, die drin wohnen, die Fabriken denen, die drin arbeiten und Energie, Verkehr und Gesundheit in öffentliche Hand! Und Schluss mit der Aufrüstung! Wir brauchen eine Zeitenwende – aber eine für Bildung, Klima und soziale Gerechtigkeit!

Wir haben schwierige Zeiten hinter uns. Bei den letzten Wahlen haben wir viele Stimmen und viele Mandate verloren. Das liegt nicht nur, aber auch an uns selbst und die Suche nach den Ursachen ist wichtig, darf aber keine Sündenbockdebatte werden.

Ich weiß, dass hier jede und jeder aus dem Stand drei Namen nennen könnte, die sie oder er für die Krise der Partei verantwortlich macht und mir selbst fallen vielleicht noch mehr ein. Aber wir sollten auf diesem Parteitag nicht nur darüber diskutieren, wer an unseren Problemen Schuld hat, sondern was wir tun können, um sie zu lösen. Ich finde ja, wir sind in den letzten Monaten da schon ein paar Schritte weitergekommen.

Es gibt ein paar magische Tricks, die leicht zu lernen sind.

  1. Zuhören. Der Landesvorstand hat in den letzten Monaten intensiv den Kontakt zu den Kreisverbänden gesucht. Wir wollten erstmal hören: Wie geht es euch? Was sind eure Sorgen, aber was läuft auch gut? Woraus können wir lernen?
  2. Reden. Und zwar solidarisch und auf Inhalte bezogen. Wir haben in den letzten Jahren viel zu wenig Gelegenheit gehabt, miteinander zu diskutieren und das ändern wir jetzt.
  3. Der dritte Zaubertrick baut auf den anderen auf. Er ist die mächtigste und wichtigste Waffe einer sozialistischen Partei und er heißt: Gemeinsam handeln!

Oder wie Rosa Luxemburg sagte: „… eine Partei ist nicht, was sie von sich sagt und glaubt, sondern was sie tut."

Aus dem Erfolg der KPÖplus bei den Wahlen in Österreich können wir lernen, dass linke Parteien überraschende Wahlerfolge erzielen können, wenn sie sich selbst etwas zutrauen und soziale Probleme nicht nur ansprechen, sondern auch anpacken. Ich weiß, dass ihr alle das genauso könnt wie die Genoss*innen in Salzburg. Und ob ihr das jetzt „radikale Realpolitik“, „verbindende Klassenpolitik“, „ökologisch-soziale Transformation“ oder „feministische Partei“ nennt, ist erst mal zweitrangig, viel wichtiger ist, dass wir den Menschen, die sonst nicht gehört werden, Hoffnung geben, dass wir gemeinsam etwas verändern können.

Theorie ist sehr wichtig, Debatten sind sehr wichtig, aber, wie Adi Preißler so schön sagte: „entscheidend is auf‘m Platz.“

Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, euch heute einen sehr breit getragenen gemeinsamen Antrag zur Friedenspolitik vorzulegen und bedanke mich ausdrücklich bei allen, die sich daran beteiligt haben. Aber auch hier gilt: Den meisten Menschen ist es egal, ob wir den verbrecherischen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine als „imperialen“ oder als „imperialistischen“ Akt bezeichnen. Ihnen ist es wichtig, dass wir ihn klar verurteilen. Darin sind wir uns zum Glück alle einig.

Ebenso einig sind wir uns darin, dass Aufrüstung und atomare Drohgebärden nicht das richtige Mittel sind, diesen Krieg oder irgendeinen anderen zu beenden. Die Bundesregierung bereitet sich eher auf einen langen Abnutzungskrieg vor, einschließlich der Möglichkeit einer Ausweitung. Die Diskussion um die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht wird aktiv geführt und sogar im Entwurf für das Selbstbestimmungsgesetz, das Rechte von trans- inter- und nonbinären Personen regeln soll, gibt es einen Passus für Kriegszeiten, damit Männer diesen Weg nicht etwa nutzen, um sich dem Kriegsdienst zu entziehen.

Die Grünen, einst angetreten mit den vier Säulen „ökologisch, basisdemokratisch, gewaltfrei und sozial“ haben inzwischen jedes dieser hehren Prinzipien mit einer Leichtigkeit verraten, wie man sie bisher nur von der Sozialdemokratie kannte.

DIE LINKE ist keine pazifistische Partei, wie manchmal behauptet wird, aber sie ist die einzige demokratische Partei, die nicht in die allgemeine Begeisterung für Aufrüstung und Waffenlieferungen einstimmt, sondern sich für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen einsetzt und das ist auch richtig. Und damit brauchen wir uns nicht zu verstecken. Selbst der Kommentator der taz schrieb: „Es ist gut, dass es im Bundestag wenigstens noch eine Partei gibt, die sich der militärischen Logik grundsätzlich verweigert.“ Das tut nämlich auch die AfD nicht, die sich neuerdings „Friedenspartei“ nennt und zugleich Anträge zur Förderung der deutschen Rüstungsindustrie stellt. Wie die Grünen halt, nur in braun.

Für uns gehören Frieden und Antifaschismus untrennbar zusammen. Wir lassen nicht zu, dass der Faschismus verharmlost wird, indem jeder Krieg damit gerechtfertigt wird, dass die andere Seite ja „faschistisch“ sei. Es stimmt: Jeder Faschist ist auch autoritär und militaristisch, aber umgekehrt gilt das nicht unbedingt.

Wir wollen breite Bündnisse gegen Krieg und Aufrüstungswahn: mit Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbänden, Friedensorganisationen, migrantischen Organisationen und antifaschistischen Kräften. Dafür streiten wir. Und nein, wir gucken nicht in die Köpfe jedes einzelnen Menschen, den wir auf einer Friedensdemo treffen. Aber wir werden nicht zu Aktionen mobilisieren, bei denen aktive Bundes- und Landespolitiker:innen der AfD und ähnliches rechtes Gesocks sich irgendwie eingeladen fühlen können. Das ist nicht nur eine Frage der Glaubwürdigkeit, sondern auch eine Frage der Überzeugung: Es gibt keinen Frieden mit der AfD!

Auch hier haben wir eine große Verantwortung: Wer über Diplomatie und Verhandlungen auf der großen Weltbühne spricht, die oder der muss das auch mit seinen eigenen Genoss:innen praktizieren.

DIE LINKE ist DIE Friedens- und Gerechtigkeitspartei. Leben wir das auch auf diesem Parteitag.

Lasst uns versuchen, das Gemeinsame in den Mittelpunkt zu stellen, ohne inhaltliche Differenzen zuzukleistern. Lasst uns nach vorne gucken und zusammen wieder stark werden.