Diskussion zum Thema Militär- und Rüstungskonversion

LPT

Inge Höger, Darius Dunker und Alexander Neu bringen das Diskussionspapier zur Militär- und Rüstungskonversion „NRW friedensfähig machen!“ ein. Sie weisen darauf hin, dass aus die Panzer an die Türkei und an Katar aus Düsseldorf geliefert werden und dass NRW auch selbst Ausgangspunkt für Interventionskriege ist.

Insbesondere von Kalkar und Udem wird durch die Drohnensteuerung aktiv Krieg geführt. Rüstung befeuert Krieg, und Krieg produziert Leid. Statt Krieg und Rüstung sollte an den Standorten in NRW anderes gemacht werden: Konversion. Auch der Naturpark Senne soll von der Bundeswehr nicht als Truppenübungsplatz übernommen werden. Die Atomwaffen in NRW sollen abgerüstet werden.

Im Anschluss wird in vier Schwerpunkt – Arbeitsgruppen diskutiert:

  1. Wirtschaftspolitik
  2. Sozialökologischer Umbau
  3. Rüstungskonversion
  4. Konversion von Bundeswehrstandorten und Bundeswehr an Schulen, Unis und in Jobcentern

Zum Diskussionspapier... 

Militär- und Rüstungskonversion - NRW friedensfähig machen!

Antragsteller*in: Landesvorstand

Leider müssen wir feststellen: War starts here - Nordrhein-Westfalen ist ein wichtiger Standort für Militär und Krieg.

NRW ist deutschlandweit einer der wichtigsten Rüstungsstandorte: Rheinmetall in Düsseldorf oder Thyssen-Krupp in Essen verdienen ihr Geld mit der Produktion von Waffen. Sie leisten einen Beitrag dazu, dass Deutschland der viertgrößte Exporteur von Kriegswaffen in der Welt ist. Zugleich drängen neue Firmen auf den Rüstungsmarkt, die etwa Überwachungs- oder Drohnentechnik exportieren wollen. Rüstungsunternehmen helfen so auch autoritären Regimes, Demokratiebewegungen nieder zu halten oder befeuern Bürgerkriege und schaffen damit neue Fluchtursachen für Menschen in aller Welt.

Der Kleinwaffenhersteller SIG Sauer, dessen Eigentümergesellschaft ihren Sitz im münsterländischen Emsdetten hat, hat inzwischen beschlossen, seine Kriegswaffenproduktion in Deutschland zu beenden und nur noch Sportwaffen herzustellen. Der Schusswaffenhersteller Carl Walther mit Firmenzentrale im sauerländischen Arnsberg war hingegen erst kürzlich wegen des Verdachts illegaler Waffenexporte nach Kolumbien in die Schlagzeilen geraten. In Gronau steht auch immer noch die Urananreicherungsanlage der Firma Urenco, die Nuklearbrennstoff für Atomkraftwerke herstellt. 

Die Urananreicherungstechnologie eignet sich auch zur Herstellung hochangereicherten Urans für Atombomben. Wie schwer sich zivile und militärische Urananreicherung trennen lassen, zeigte auch der inzwischen friedlich beigelegte Atomstreit mit dem Iran. In Gronau wird diese Technologie weiter betrieben.

NRW beherbergt einige der wichtigsten Militäreinrichtungen in Deutschland. Die Militärstandorte in Kalkar und Uedem machen den Niederrhein zum Ausgangspunkt für Bundeswehr- und NATO-Kriegsführung: Von hier wird der gesamte nordeuropäische Luftraum bis nach Russland überwacht und gegebenenfalls Einsätze kommandiert, von hier werden Eurofighter und AWACS-Aufklärungsflugzeuge möglichst nah an die russische Grenze herangeführt. Die Kampfdrohnen, deren Anschaffung derzeit geplant wird, würden auch von hier gesteuert. Gemeinsam mit Militäreinrichtungen in Köln werden von dort Auslandseinsätze der Bundeswehr und der NATO organisiert und gesteuert. Auf dem Truppenübungsplatz in der ostwestfälischen Senne werden Kampfeinsätze geübt. Ausgerechnet in der "Friedensstadt" Münster soll das deutsch-niederländische Korps den Hauptteil der sogenannten NATO-Speerspitze Ost („Very High Readiness Task Force“) bilden. Diese superschnelle Eingreiftruppe, von der NATO als Antwort auf die Ukraine-Krise eingerichtet, soll innerhalb weniger Tage in Einsatzbereitschaft versetzt werden können. Diese Speerspitze ist ein wichtiger Bestandteil der Drohkulisse gegen Russland. In der Tomburg-Kaserne in Rheinbach sind die Cyberwar-Spezialisten der Bundeswehr, die Kräfte der Einheit „Computer Netzwerk Operationen“ (CNO) im Kommando Strategische Aufklärung angesiedelt. Die Einheit soll nach der neuen Cyberstrategie des BMVg künftig verstärkt werden. Nicht zuletzt hat das Bundesverteidigungsministerium seinen Sitz auf der Hardthöhe in Bonn.

Die Bildungseinrichtungen in NRW werden zunehmend militarisiert. Durch eine Kooperationsvereinbarung mit dem Schulministerium hat die Bundeswehr in NRW einen bevorrechtigten Zugang zu den SchülerInnen. Anwerbeversuche der Bundeswehr gibt es aber nicht nur in Schulen, sondern auch in Berufskollegen und Arbeitsagenturen und auf den Straßen und Plätzen in NRW. Momentan sind Offiziere regelmäßige Gäste in Berufsorientierungswochen an Schulen; in den ARGEn warten sie auf Hartz-IV-Empfängerinnen und - Empfänger unter 25. Die Bundeswehr nutzt an dieser Stelle die Perspektivlosigkeit, die Zukunftsangst und die Armut vieler junger Menschen für ihre Rekrutierungspolitik aus. Viele Initiativen setzen sich an den Hochschulen auch in NRW für die Einführung von Zivilklauseln ein. Seit Oktober 2014 gibt es in der NRW-Hochschulordnung eine Zivilklausel. Dennoch wird immer noch an Universitäten in NRW für die Rüstung und die Akzeptanz des Militärs geforscht. Wir kritisieren auch sogenannte Dual-Use-Projekte, die sowohl zivil als auch militärisch verwertet werden können,.

DIE LINKE NRW setzt sich für umfassende Bemühungen zur Rüstungskonversion in NRW ein. Wir wollen Rüstungsproduktion auf zivile Fertigung umstellen, wir wollen Militärstandorte schließen und wir setzen uns für eine umfassende Friedensbildung an Bildungseinrichtungen in NRW ein.

DIE LINKE NRW setzt sich als Antikriegspartei für die Abrüstung der Bundeswehr ein. Sie fordert die Schließung der Luftkriegszentren in Kalkar und Uedem, ein Ende der Beteiligung von Bundeswehreinheiten an der NATO-„Speerspitze Ost“, einen entmilitarisierten Nationalpark Senne und die Umnutzung aller Bundeswehr- und NATO-Einrichtungen in NRW für zivile Zwecke. In Zusammenarbeit mit den Nachbarregionen setzt sich DIE LINKE NRW für eine vollständige Entmilitarisierung der Eifel und das sofortige Ende der Atomwaffenstationierung in Büchel, Volkel und Kleine-Brogel ein, die jeweils nur 30 Kilometer von NRW entfernt sind.

Militärstandorte produzieren nicht, sie leisten keinen relevanten wirtschaftlichen Beitrag für die Kommunen, auch durch Steuereinnahmen oder Liegenschaftsmieten profitieren die Kommunen nicht. Allerdings muss das Problem der Arbeitsplätze und der lokalen Kaufkraft gelöst werden.

Daher fordert DIE LINKE NRW ein Landesprogramm zur Konversion militärischer Standorte. Dabei geht es nicht nur um sozialverträgliche Lösungen für die bei Standortschließungen wegfallenden Arbeitsplätze, sondern vor allem darum, die Chancen einer Standortkonversion zu nutzen. Mögliche Chancen bestehen etwa in der kommunalen Nutzung der Liegenschaften für Wohnraum, Sport, Bildung, Kultur oder Reha-Einrichtungen, in einer wirtschaftlichen Nutzung durch die Ansiedlung von produzierendem Gewerbe, etwa Recyclingbetriebe oder Erzeuger erneuerbarer Energien, und Dienstleistungsunternehmen z. B. aus der Logistikbranche, oder der touristischen Nutzung von Naturreservaten. Die Erfahrung gelungener Konversionsvorhaben zeigt, dass Kommunen von einer Standortschließung profitieren können, je eher sie mit dem Konversionsprozess beginnen, anstatt wertvolle Zeit durch ohnehin wenig erfolgversprechende Protestmaßnahmen gegen Standortschließungen zu verlieren. Militärische Liegenschaften sind öffentliches Eigentum, deshalb muss bei der zivilen Nachnutzung öffentliches Interesse Vorrang haben. Wir wehren uns dagegen, dass Kommunen bei der Veräußerung der Liegenschaften mit wirtschaftlichen Interessen in Konkurrenz treten müssen.

Die Konversion der Rüstungsindustrie in NRW ist möglich. Deutschlandweit gibt es nur einige zehntausend Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie, für NRW liegen keine Zahlen vor. Auch diese Arbeitsplätze sind vor allem das Produkt massiver Subventionierungen. In die Forschung, Entwicklung und natürlich den Absatz dieser todbringenden Güter fließen Jahr für Jahr Milliarden aus Steuermitteln. Die Beschäftigten in der Rüstungsindustrie sind überwiegend hochqualifizierte Fachkräfte, die den Fachkräftemangel in der zivilen Industrie lindern könnten. Zudem sind viele der Rüstungsbetriebe Mischkonzerne, die Beschäftigte in zivilen Bereichen weiterbeschäftigen könnten. Rüstungsexporte müssen verboten werden, die Produktionsanlagen müssen umgestellt werden auf die Produktion ziviler Güter. Dies ließe sich mit einem Bruchteil der Subventionen bewerkstelligen, die bis jetzt in den Rüstungsbereich fließen.

Die Forschung zur Rüstungskonversion, also zur Umstellung von militärischer auf zivile Produktion, soll sowohl durch öffentliche Gelder als auch durch die davon betroffene Privatwirtschaft und ihre Verbände finanziert werden.

Demilitarisierung der Wirtschaftsförderung: Keine Subventionen und Fördergelder an Firmen und Konzerne in NRW, die an Rüstungsforschung und Herstellung von Rüstungsgütern und Kampfstoffen beteiligt sind.

Die Landesregierung soll Betriebsgruppen, die sich für die Konversion ihrer Betriebe einsetzen, unterstützen.

Die Landesregierung soll auf Unternehmen mit hohem Rüstungsanteil einwirken, ihre Unternehmensstrategie so zu verändern, dass sie sich unabhängig von Rüstungsaufträgen machen.

In Rüstungsunternehmen sind paritätisch besetzte Umstellungsausschüsse einzurichten, welche die Möglichkeiten zur Umstellung auf alternative Produktion untersuchen und die Durchsetzung einleiten.

Die Landesregierung muss es unterlassen, sich bei der Bundesregierung und gegenüber ausländischen Partnern für die Exportinteressen der heimischen Rüstungsindustrie einzusetzen.

Die Urananreicherungsanlage in Gronau benutzt eine Technologie, mit der prinzipiell atomwaffenfähiges Material hergestellt werden kann. Sie muss stillgelegt und ihre Technologie darf weder verbreitet noch verkauft werden.

DIE LINKE NRW fordert, Kooperationsvereinbarungen mit der Bundeswehr sofort aufzukündigen: Die Bundeswehr und ihre Rekrutierungskommandos haben in Schulen und Ämtern genauso wenig verloren wie auf unseren Straßen und Plätzen.

DIE LINKE NRW fordert den Ausbau der Friedenswissenschaften an den Hochschulen, die Stärkung und konsequente Umsetzung der Zivilklausel im NRW-Hochschulgesetz, die Vergabe von Landesmitteln für Forschungsförderung nur für ausschließlich zivile Vorhaben, die Ausbildung von Fachkräften für den Zivilen Friedensdienst, freiwillige Friedensdienste für Jugendliche und Erwachsene sowie internationale Begegnungen und Städtepartnerschaften. Die Angebote der NRW-Stiftung Umwelt und Entwicklung wollen wir auf friedenspolitische Projekte ausdehnen.

DIE LINKE NRW fordert von der Landesregierung, sich auf Bundesebene entschlossen für eine Änderung des BIMA-Gesetzes einzusetzen, damit zukünftig Kommunen beim Erwerb von ehemaligen militärischen Liegenschaften nicht mehr in einen Bieterwettbewerb mit privaten Investoren treten müssen.

Die Landesregierung soll ein Landesamt für Konversion und Abrüstung einrichten, dem eine von der Landesregierung ernannte Konversionsbeauftragte oder ein -beauftragter vorsteht, das in Zusammenarbeit mit den betroffenen Kreisen und Städten Konzepte für eine Umwandlung militärischer Flächen und Liegenschaften sowie für die Schaffung alternativer Arbeitsplätze erarbeitet.